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Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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Kollateralschäden seines genialen
Plans gewesen – und außer Reinstetter war ja niemand dauerhaft in seiner
Gesundheit beeinträchtigt worden. Die Patienten waren für ihn schon lange keine
individuellen Schicksale mehr, sondern Nummern, die die Klinik finanzierten,
die ein paar Wochen hier waren und dann in ihr kümmerliches Leben zurückgingen,
um einige Zeit später wieder in einer ähnlichen Klinik aufzuschlagen. Er hatte
den Mord gegenüber diesem Erpresser verschleiern müssen. Wäre die
Pilzvergiftung Reinstetters sonst herausgekommen, wäre zumindest der Verdacht
des Bruders gleich auf ihn gefallen. Und Walger und seine Hochglanzklinik boten
sich als potenzielle Verdächtige im Falle eines »Pilzgiftanschlags« einfach an.
    Nur der Toxikologe beziehungsweise das Phänomen der sechsfachen Giftdosis
hatten ihm schließlich einen Strich durch die Rechnung gemacht.
    Für die Geschichte mit dieser Krebspatientin würde er sich womöglich
vor Gericht verantworten müssen. Fahrlässige Tötung, schlimmstenfalls. Aber
selbst wenn er dadurch seine Stelle in der Tannenklinik verlieren sollte: Er
würde in die USA gehen. Dort wusste man den Wert von Chefärzten noch mehr zu
schätzen als in diesem missgünstigen Deutschland. Und diese Sache mit den
Reinstetters? Er kannte einige gute Anwälte – und der erste würde in weniger
als dreißig Minuten hier sein. Der würde diesem einfach gestrickten Kriminalbeamten
schon klarmachen, dass seine Beweise recht dünn waren. Der Rest des Amanitins,
mit dem er – in einer eher schwachen Dosierung – auch in der Küche der Rehaklinik
die Pilzsuppe vergiftet hatte, war bereits vernichtet. Auch sonst hatte er
keine Spuren hinterlassen. Im Gegensatz zu dieser ärgerlichen Sache in Bad
Dürrheim gab es hier keine Mitwisser. Nicht mal Hilbert.
    Einen Fehler beging man schließlich nicht zweimal.
    »Ich glaube, ich weiß, wie es war«, meldete sich Reinstetter
zu Wort. »Krieg hat sich bestimmt wieder einmal bei der Dosierung verrechnet!«
    »Also, Ihr Bruder isch jedenfalls für e Giftpilzopfer recht schnell
g’schtorbe … Normal goht des mehrere Dag«, mischte sich Winterhalter ein.
    »Ich würde jede Wette eingehen«, spann Reinstetter den Faden weiter.
»Krieg hat das Amanitin falsch dosiert. Das würde zu ihm passen. Hochtrabend
tun, aber dann doch pfuschen. Er ging davon aus, dass mein Bruder irgendwann im
Verlauf der nächsten Tage schleichend sterben würde. Das Pilzgift sollte dabei
das Organ zerstören, das mein Bruder mir spenden wollte …«
    »Dann starb er aber aufgrund der Überdosierung schon früher, weshalb
Dr. Hilbert, der Nachtdienst hatte, den Totenschein ausstellte«, fiel Hummel
ein. »Und der kreuzte ›unklare Todesursache‹ an …«
    Krieg schwieg. Das mit der Obduktion war wirklich nicht optimal
gelaufen. Warum war dieser Hilbert auch so schnell und übereifrig vorgegangen?
Hätte er selbst den Totenschein ausstellen können, wäre die Angelegenheit rasch
erledigt gewesen.
    Hilbert war untröstlich. »Dann bin ich mitverantwortlich für die
Komplikationen, denen der Herrprofessor hier ausgesetzt ist?«
    Offenbar glaubte er noch immer an dessen Unschuld.
    Hummel übernahm es, die Vorgänge weiter zu rekapitulieren: »Als
Professor Krieg dann für seine Verhältnisse recht früh am Morgen in der Klinik
ankam, teilte ihm sein Adlatus Hilbert mit, dass Dietrich Reinstetter tot sei
und obduziert werden würde. Dafür erwartete er vergeblich ein Lob. Kriegs Idee
war es, den Mord und die Vergiftungen der anderen Patienten zu nutzen, um den
Ruf der Fernblickklinik zu beschädigen. Die alten Kameraden verstanden sich ja
offenbar nicht mehr so gut. Und die in Höchenschwand mit ihren aufwendigen
Umbauten und dem einen oder anderen finanziellen Fragezeichen hätten angesichts
der allgemeinen Konkurrenz unter den Kurkliniken ja wirklich Grund haben
können, der Tannenklinik Übles zu wollen. Persönliche Animositäten zwischen den
beiden Chefärzten taten ihr Übriges. Krieg erfand also ein Auto der Klinik, das
angeblich hier gesehen worden sei. Aber natürlich erzählte er das nicht selbst
herum, sondern ließ den Verdacht durch seinen Assistenten verbreiten.«
    Hilbert sah sehr traurig und sehr schuldbewusst aus.
    »Stimmt«, sagte Riesle, der mit vor Konzentration leicht
heraushängender Zunge mitprotokolliert hatte. »Er war auch mein Informant –
hatte mich angerufen.«
    »Herrprofessor!« Hilbert machte nun den Eindruck, als würde er sich
gleich die
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