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Alles Sense

Alles Sense

Titel: Alles Sense
Autoren: Terry Pratchett
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Den Moriskentanz kennt man auf allen bewohnten Welten des Multiversums.
    Man tanzt ihn unter blauen Himmeln, um den Neubeginn des Lebens zu feiern. Man tanzt ihn unter nackten Sternen, weil es Frühling geworden ist und man hoffen darf, daß der Kohlendioxidschnee bald taut. Auch auf Geschöpfe der Tiefsee, die nie das Licht der Sonne gesehen haben, übt er seinen Reiz aus. Und auf urbane Menschen, deren einzige Beziehung zum Kreislauf der Natur darin besteht, daß ihnen einmal ein Schaf vor den Kühler ihres Wagens gelaufen ist.
    Er wird unschuldig getanzt, von jungen Mathematikern mit zotteligen Bärten, zu den eher disharmonischen Klängen einer Akkordeon-Version von »Frau Stubenreins Untermieter«. Und er wird erbarmungslos getanzt, zum Beispiel von den Moriskenninjas in Neu Ankh, die selbst mit Taschentüchern und kleinen Glocken schreckliche Dinge anstellen können.
    Aber er wird nie richtig getanzt.
    Die einzige Ausnahme bildet die Scheibenwelt. Sie ist flach und ruht auf den Rücken von vier Elefanten, die von der Sternenschildkröte Groß-A’Tuin durchs All getragen werden.
    Und selbst dort gibt es nur einen Ort, wo man den Dreh wirklich raus hat: ein kleines Dorf hoch oben in den Spitzhornbergen. Dort reicht man das große Geheimnis von einer Generation zur nächsten weiter.
    In jenem Dorf tanzen die Männer am ersten Tag des Frühlings. Vor und zurück springen sie, mit Glocken, die an ihren Knien klimpern und läuten, mit wehenden Umhängen. Viele Leute sehen dabei zu. Es gibt Ochsenbraten, und viele Familien nutzen die gute Gelegenheit für einen Ausflug.
    Aber das ist nicht das Geheimnis.
    Das Geheimnis betrifft den anderen Tanz.
    Und bis dahin dauert es noch eine Weile.
     
    Ein Ticken erklingt, wie von einer Uhr. Und tatsächlich: Am Himmel schwebt eine Uhr, und dort ticken brandneue Sekunden.
    Zumindest sieht das Etwas wie eine Uhr aus. Doch in Wirklichkeit stellt sie das genaue Gegenteil dar – der große Zeiger dreht sich nur einmal.
    Unter dem matten Firmament erstreckt sich eine Ebene. Sie ist voller sanfter Rundungen und Wölbungen, die aus der Ferne betrachtet gewisse Vorstellungen wecken könnten. Aber wenn man sie aus der Ferne betrachtet, so hat man allen Grund, sich über die große Distanz zu freuen.
    Drei graue Gestalten schwebten dicht darüber. Normale Sprache bot kein geeignetes Mittel, um sie zu beschreiben. Manche Leute hätten sie vielleicht als Cherubim bezeichnet, obgleich es ihnen an Pausbäckigkeit mangelte. Sie gehörten zu jenen speziellen Wesen, die dafür sorgen, daß die Schwerkraft funktioniert und die Zeit vom Raum getrennt bleibt. So etwas wie Revisoren. Revisoren der Realität.
    Sie unterhielten sich, ohne miteinander zu sprechen. Es bestand gar keine Notwendigkeit, Worte zu formulieren. Sie veränderten einfach die Realität, so daß sie bereits gesprochen hatten.
    Einer sagte: So etwas ist noch nie zuvor geschehen. Läßt es sich bewerkstelligen?
    Einer sagte: Es muß geschehen. Immerhin handelt es sich um eine Person, und Personen finden früher oder später ein Ende. Nur Kräfte überdauern.
    Die Nicht-Worte brachten Zufriedenheit zum Ausdruck.
    Einer sagte: Außerdem kam es zu… Unregelmäßigkeiten. Wo Personen im Spiel sind, bleiben Unregelmäßigkeiten nicht aus. Das ist eine allgemein bekannte Tatsache.
    Einer fragte: Hat er schlechte Arbeit geleistet?
    Einer sagte: Nein. In dieser Hinsicht können wir ihn nicht festnageln.
    Einer sagte: Genau darum geht’s – um das Er und Ihn und so weiter. Wer zu einer Person wird, ist auf dem besten Wege zur Inkompetenz. Wir dürfen nicht zulassen, daß so etwas um sich greift. Angenommen, die Schwerkraft entwickelt eine eigene Persönlichkeit. Angenommen, sie beschließt plötzlich, die Leute zu mögen…
    Einer fragte: Will sie sich ihnen etwa an den Hals werfen?
    Einer sagte mit einer Stimme, die noch kälter geworden wäre, wenn sie nicht schon den absoluten Nullpunkt erreicht hätte: Nein.
    Einer sagte: Entschuldigt. Nur ein kleiner Scherz von mir.
    Einer sagte: Außerdem denkt er über seine Arbeit nach. Solche Überlegungen könnten gefährlich werden.
    Einer sagte: Das stimmt.
    Einer fragte: Dann sind wir uns also einig?
    Einer hatte über etwas nachgedacht und sagte nun: Moment mal. Hast du eben das Wörtchen »mir« benutzt? Entwickelst du etwa eine Persönlichkeit?
    Einer erwiderte erschrocken: Wer? Wir?
    Einer sagte: Wo es Persönlichkeit gibt, ist Uneinigkeit nicht weit.
    Einer sagte: Wie wahr. Wie
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