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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Erster Teil
    Das Drehkreuz Saint-Jean, dessen Schilderung seiner Zeit zu Beginn der Studie »Eine doppelte Familie« langweilig erschienen sein mag, dieses kleine harmlose Wahrzeichen des alten Paris, existiert nur noch in dieser Beschreibung. Die Errichtung des heutigen Rathauses hat ein ganzes Stadtviertel verschwinden lassen.
    Im Jahre 1830 konnten die Passanten noch das Drehkreuz auf dem Schilde eines Weinhändlers erblicken, aber auch dieses Haus, sein letzter Zufluchtsort, ist inzwischen niedergelegt worden. Ach, das alte Paris verschwindet mit erschreckender Schnelligkeit! Bei dieser Zerstörung bleibt noch irgendwo ein Haus aus dem Mittelalter stehen, wie das am Anfang der »Ballspielenden Katze« geschilderte, und wie solche nur noch in ein oder zwei Exemplaren existieren; oder ein Haus wie das des Richters Popinot in der Rue du Fouarre, das Muster eines alten Bürgerhauses. So ist auch das Haus von Fulbert erhalten, ebenso das ganze Seinebassin aus der Zeit Karls IX. Warum sollte der Historiker der französischen Gesellschaft, ein moderner »Old mortality«, nicht die interessanten Denkmäler der Vergangenheit vor der Vergessenheit bewahren, ebenso wie es Walter Scotts Alter mit den Gräbern tat? Die Warnrufe der Publizisten, die seit zehn Jahren laut geworden sind, waren wahrhaftig nicht unbegründet: Die Baukunst wird durch die gemeinen Fassaden der Häuser verschimpfiert, die man in Paris »Rentenhäuser« nennt und die einer unserer Poeten in amüsanter Weise mit Kommoden verglichen hat.
    Es mag hier darauf hingewiesen werden, daß die Einrichtung einer städtischen Kommission »del ornamento«, die in Mailand die Architektur der Straßenfassaden zu überwachen hat, und der jeder Bauherr seine Pläne vorlegen muß, aus dem XII. Jahrhundert stammt. Daher wird auch jedermann in dieser schönen Hauptstadt erkennen müssen, was der Patriotismus der Bürgerschaft und des Adels für seine Stadt geleistet hat, und die charakteristischen eigenartigen Bauten bewundern ... Die abscheuliche, zügellose Spekulation, die Jahr für Jahr die Höhe der Stockwerke vermindert, aus dem Raum, den früher ein Salon ausfüllte, eine ganze Wohnung macht und einen mörderischen Kampf gegen die Gärten führt, wird unvermeidbar ihren Einfluß auch auf die Pariser Sitten ausüben. In kurzer Zeit wird man genötigt sein, mehr draußen als drinnen zu leben. Das geheiligte Privatleben, das unbeeinträchtigte Zuhause, wo ist es noch zu finden? Es fängt erst bei fünfzigtausend Franken Rente an. Und es gibt sogar nur noch wenige Millionäre, die sich den Luxus eines eigenen Hauses gestatten, das von der Straße durch einen Vorhof getrennt und durch einen schattigen Garten vor der Neugierde des Publikums geschützt ist.
    Durch das Nivellieren der Vermögen hat der Code, der die Erbschaften regelt, diese steinernen ???Phalansterien entstehen lassen, in denen dreißig Familien wohnen, und die hunderttausend Franken Rente bringen. Daher werden in fünfzig Jahren die Häuser zu zählen sein, zu denen das gehört, welches zu Beginn dieser Erzählung die Familie Thuillier bewohnte, ein wirklich interessantes Haus, das der Ehre einer eingehenden Beschreibung würdig ist, sei es auch nur, um die frühere Bourgeoisie mit der heutigen vergleichen zu können.
    Die Lage und das Äußere dieses Hauses, das den Rahmen für dieses Sittenbild abgibt, hat übrigens schon an sich einen gewissen Anstrich von Kleinbürgerlichkeit, der, je nach dem Geschmack eines jeden, die Aufmerksamkeit fesseln kann oder nicht.
    Zunächst muß bemerkt werden, daß das Haus Thuillier weder Herrn noch Frau, sondern Fräulein Thuillier, der älteren Schwester des Herrn Thuillier, gehörte.
    Es war während der ersten sechs Monate nach der Revolution von 1830 von Fräulein Marie-Jeanne-Brigitte Thuillier, einem majorennen Mädchen, erworben worden und befand sich etwa in der Mitte der Rue Saint-Dominique-d'Enfer, wenn man von der Rue d'Enfer kommt auf der rechten Seite, so daß der Flügel, in dem Herr Thuillier wohnte, nach Süden zu gelegen war.
    Der fortschreitende Drang, mit dem sich die Pariser Bevölkerung nach dem höheren Teil des rechten Seineufers hinüberzieht, während das linke Ufer leer wird, hatte lange Zeit hindurch den Verkauf der Grundstücke des sogenannten lateinischen Viertels stocken lassen; da veranlaßten Gründe, die bei der Schilderung des Charakters und Wesens des Herrn Thuillier angegeben werden sollen, seine Schwester, ein Haus zu erwerben:
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