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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Wogen ausgesetzt sieht, und uns drei lange Jahre hindurch die Sorge bedrücken wird, ob wir ihn wiedersehen werden?‹
    ›Die Vorsehung vermag sehr viel, mein Herr‹, antwortete der Abbé Gondrin; ›Gott wird Herrn Felix Phellion inmitten der Gefahren beschützen, und ich hege die feste Hoffnung, daß er in drei Jahren seinen Freunden wiedergeschenkt sein wird.‹
    ›Aber wird es in drei Jahren noch Zeit sein?‹ fuhr Herr Picot fort; ›wird Fräulein Colleville solange auf ihn warten?‹
    ›Ja, ich schwöre es!‹ rief das junge Mädchen aus, hingerissen von ihrem Gefühl, das sie nicht länger beherrschen konnte.
    Dann setzte sie sich ganz beschämt wieder hin und zerfloß in Tränen.
    ›Und Sie, Fräulein Thuillier,‹ fragte Herr Picot, ›und Sie, Frau Colleville, werden Sie dem Kinde auch erlauben, sich für den, der ihrer so würdig ist, bereit zu halten?‹
    ›Aber gewiß! Aber gewiß!‹ rief man von allen Seiten; der volle, warme Ton des Herrn Picot, in dem man eine Träne erzittern fühlte, war allen Anwesenden zu Herzen gegangen.
    ›Dann ist es noch Zeit, die Vorsehung nicht zu bemühen‹, sagte Herr Picot.
    Und zur Tür eilend, an der ich horchte, wobei er mich beinahe ertappt hätte, rief er mir laut zu:
    ›Melden Sie Herrn Felix Phellion und seine Angehörigen.‹
    Und nun traten wirklich aus einer Tür fünf bis sechs Personen, die hinter Herrn Picot im Salon erschienen.
    Beim Anblick ihres Geliebten vergingen Fräulein Colleville die Sinne, aber diese Ohnmacht dauerte nur einen Augenblick, und als sie Herrn Felix vor sich knien sah, warf sie sich Frau Thuillier weinend in die Arme und rief:
    ›Patin, Sie haben mir ja immer gesagt, daß ich hoffen soll!‹
    Fräulein Thuillier, die ich trotz ihres herben Charakters und ihrer mangelhaften Erziehung immer für ein hervorragendes Frauenzimmer gehalten habe, hatte jetzt eine schöne Regung; als man sich ins Speisezimmer begeben wollte, sagte sie:
    ›Einen Augenblick!‹
    Und indem sie vor dem alten Herrn Phellion hintrat, sprach sie zu ihm:
    ›Lieber Herr und alter Freund, ich bitte für Fräulein Colleville, unsere Adoptivtochter, um die Hand des Herrn Felix Phellion!‹
    ›Bravo, bravo!‹ rief man von allen Seiten.
    ›Mein Gott!‹ sagte Herr Phellion mit Tränen in den Augen, ›womit habe ich soviel Glück verdient?‹
    ›Sie sind immer ein Ehrenmann gewesen und ein Christ, ohne es zu wissen‹, antwortete der Abbé Gondrin.«
    An dieser Stelle warf la Peyrade das Manuskript beiseite.
    »Nun, Sie lesen nicht zu Ende?« sagte Corentin und nahm den Brief wieder in die Hand.
    »Aber es steht auch wirklich nichts weiter drin, Herr Henri macht mir nur noch das Geständnis, daß ihn diese Szene gerührt hat, und sagt weiter, er wisse, daß ich mich früher für diese Heirat interessiert habe, und deshalb habe er geglaubt, mir die näheren Umstände, unter denen sie zustande gekommen sei, berichten zu sollen; und wie bei allen diesen etwas weitschweifigen Polizeiberichten, schließt er mit einer ziemlich unverhüllten Bitte um eine Gratifikation ... Ah, hier ist doch noch etwas ziemlich Wichtiges«, fuhr Corentin fort; »beim Essen ließ die Engländerin durch Herrn Picot mitteilen, daß sie keine Erben hätte und daß nach ihrem und ihres Mannes Tode ihr ganzes Vermögen Felix zufallen solle, der also einmal ein sehr reicher Mann sein wird.«
    La Peyrade war aufgestanden und ging mit großen Schritten auf und ab.
    »Nun,« fragte Corentin, »was haben Sie denn?«
    »Nichts«, entgegnete der Provenzale.
    »Doch«, sagte der Polizeimann, »ich glaube, Sie sind ein bißchen neidisch auf das Glück des jungen Mannes. Gestatten Sie mir, mein Lieber, Ihnen zu bemerken, daß, wenn ein solches Schicksal Ihrem Geschmacke entspricht, Sie auch ebenso hätten verfahren müssen wie er; als ich Ihnen die hundert Louisdor übersandte, damit Sie Jura studieren konnten, hatte ich Sie noch nicht zu meinem Nachfolger bestimmt; Sie konnten Ihr Schiff mit Aufwendung aller Mühe selbst steuern und mußten den Mut haben, schwierige und mühselige Arbeiten auszuführen, dann wären auch Sie ans Ziel gelangt. Sie aber wollten das Glück vergewaltigen. Sie stürzten sich in den Journalismus, von da in die Geschäfte; Sie machten Bekanntschaft mit den Herren Dutocq und Cérizet; geradeheraus gesagt, ich halte es für ein Glück, daß Sie den Hafen erreicht haben, in dem Sie jetzt gelandet sind. Im übrigen besitzen Sie nicht das erforderliche harmlose Gemüt, für
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