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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Borte, die gräßlichen Schabkunstbilder und die Schirtinggardinen mit rotem Rande in diesem Speisezimmer, wo Petitots Freunde tafelten! Und wie wirkten im Salon die Bilder von Herrn, Frau und Fräulein Thuillier von Pierre Grassou, dem Porträtmaler der bürgerlichen Gesellschaft; die Spieltische, die seit zwanzig Jahren im Gebrauch waren, die Konsolen im Empirestil, der von einer großen Lyra getragene Theetisch, die Möbel aus ästigem Mahagoni, mit buntem Plüsch auf schokoladenfarbenem Grund bezogen; die Kandelaber mit kanellierten Säulen auf dem Kamin mit seiner Uhr, die eine Bellona im Empirestil darstellte, die leinenen Vorhänge und die gestickten Musselingardinen, die mit gestanzten kupfernen Haltern aufgenommen waren! Auf dem Parkett lag ein billiger Teppich. In dem schönen länglichen Vestibül standen Plüschbänke; die Reliefbilder der Wände waren mit Schränken in verschiedenen Stilarten verstellt, die in den früheren Wohnungen der Thuilliers gestanden hatten. Über den Springbrunnen war ein Brett gelegt, das eine qualmende Lampe aus dem Jahre 1815 trug. Schließlich hatte die Furcht, diese scheußliche Gottheit, die Besitzer veranlaßt, nach der Garten- und nach der Hofseite hin doppelte, mit Eisenblech beschlagene Türen anzubringen, die am Tage zurückgeklappt und nachts vorgelegt wurden.
    Die beklagenswerte Profanierung dieses Monuments des Privatlebens im siebzehnten Jahrhundert durch die privaten Lebensgewohnheiten des neunzehnten Jahrhunderts läßt sich unschwer erklären. Etwa zu Beginn der Konsulatszeit kam ein Maurermeister, der das kleine Haus erworben hatte, auf den Gedanken, das nach der Straße hin gelegene Terrain auszunutzen; er legte wahrscheinlich den schönen, von kleinen Pavillons, die, um einen altertümlichen Ausdruck zu gebrauchen, diesen hübschen »Wohnsitz« vervollständigten, flankierten Seiteneingang nieder, und die Betriebsamkeit eines Pariser Hausbesitzers drückte dieser Zierlichkeit ihr Brandmal auf, wie die Zeitungen und ihre Druckerpressen, die Fabriken und ihre Magazine, der Handel und seine Kontore an die Stelle der Aristokratie, der alten Bourgeosie, der Finanzleute und der Richterschaft überall, wo diese sich glanzvoll ausgebreitet hatten, getreten sind. Was für ein interessantes Studium gewähren Akten des Hausbesitzes von Paris! In der Rue des Batailles ist aus der Besitzung des Chevaliers Pierre Bayard du Terrail ein Krankenhaus geworden; der dritte Stand hat dort, wo das Haus Neckers sich befand, eine Straße entstehen lassen. Das alte Paris verschwindet, wie die Könige verschwunden sind. Für ein erhaltenes architektonisches Meisterwerk, das eine polnische Fürstin vor der Zerstörung bewahrt hat, fallen so viele andere kleine Palais, wie Petitots Wohnung, in die Hände von Thuilliers! Die Gründe, aus denen Fräulein Thuillier dieses Haus kaufte, waren folgende:
    Beim Sturz des Ministeriums Villèle wurde Herr Louis-Jérôme Thuillier, der damals sechsundzwanzig Dienstjahre hinter sich hatte, Vizechef; aber kaum erfreute er sich der subalternen Ehre dieser Stellung, die einst das geringste war, worauf er gehofft hatte, als die Ereignisse des Julis 1830 ihn zwangen, seinen Abschied zu nehmen. Er rechnete sehr schlau damit, daß ihm von den Leuten, die glücklich waren, über einen freien Platz mehr verfügen zu können, eine anständige Pension glatt bewilligt werden würde, und er hatte sich nicht verrechnet, denn seine Pension wurde auf siebzehnhundert Franken festgesetzt.
    Als der kluge Vizechef davon sprach, daß er sich aus dem Verwaltungsdienst zurückziehen wolle, geriet seine Schwester, die weit mehr als seine Frau seine Lebensgefährtin war, in Angst wegen seiner Zukunft.
    »Was soll aus Thuillier werden? ...« Das war die Frage, die sich Frau und Fräulein Thuillier, die damals in einer kleinen Wohnung im dritten Stock in der Rue d'Argenteuil lebten, gegenseitig in großer Sorge vorlegten.
    »Mit der Regelung seiner Pensionsansprüche wird er nur für einige Zeit zu tun haben,« hatte Fräulein Thuillier gesagt; »aber ich denke daran, meine Ersparnisse so anzulegen, daß eine Beschäftigung für ihn damit verbunden ist ... Die Verwaltung eines Grundstücks ist ja beinahe so etwas wie eine amtliche Tätigkeit.«
    »Ach, liebe Schwägerin, Sie sind seine Lebensretterin!« rief Frau Thuillier aus.
    »Ich habe schon immer an diese für Jérômes Leben kritische Zeit gedacht!« antwortete die alte Jungfer mit Protektormiene.
    Fräulein Thuillier
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