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Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan
    Nach den Katastrophen der Julirevolution, die das vom Hofe gestützte Vermögen vieler aristokratischer Häuser vernichtete, war auch die Fürstin von Cadignan gewandt genug, ihren vollständigen Ruin, der die Folge ihrer Verschwendung war, auf Rechnung der politischen Ereignisse zu schreiben. Der Fürst hatte Frankreich mit der königlichen Familie verlassen, aber die Fürstin blieb in Paris zurück; sie war nämlich eben infolge seiner Abwesenheit unangreifbar, denn die Schulden, für deren Tilgung der Erlös des verkaufbaren Besitzes nicht ausreichen konnte, lasteten nur auf ihm. Die Einkünfte des Majorats waren gepfändet worden. Kurz, die Angelegenheiten dieser großen Familie waren in ebenso schlimmem Zustand wie die des älteren Zweiges der Bourbonen. Die unter ihrem ersten Namen einer Herzogin von Maufrigneuse so berühmt gewordene Frau entschloß sich jetzt verständigerweise in tiefster Zurückgezogenheit zu leben; sie wollte vergessen werden. Paris wurde durch einen so schwindelerregenden Strom von Ereignissen mit fortgerissen, daß die Herzogin von Maufrigneuse, die in der Fürstin von Cadignan vergraben lag, bald in Paris gleichsam eine Fremde war, denn ihre Namensänderung blieb den meisten der neuen Schauspieler, die die Julirevolution auf die Bühne rief, unbekannt.
    In Frankreich hat der Herzogstitel den Vorrang vor allen anderen, selbst vor dem Fürstentitel; und das, obwohl in der Theorie der Heraldik – ohne jede Sophistik – die Titel vollkommen bedeutungslos sind und zwischen allen Edelleuten unbedingte Gleichheit herrscht. Diese wunderbare Gleichheit wurde ehemals vom Hause Frankreich sorgfältig aufrechterhalten; und noch heute geschieht es, wenigstens zum Schein, dadurch, daß die Könige ihren Kindern einfache Grafentitel verleihen. Kraft dieses Systems parierte Franz I. den Prunk der Titel, die sich der prachtliebende Karl V. beilegte, indem er eine Antwort mit dem Namen ›Franz, Freiherr von Vanves‹ unterschrieb. Ludwig XI. hatte noch mehr getan, indem er seine Tochter einem einfachen titellosen Edelmann namens Peter von Beaujeu vermählte. Von Ludwig XIV. aber wurde das Feudalsystem so gründlich gebrochen, daß der Herzogstitel in der Monarchie zur höchsten und beneidenswertesten Ehre der Aristokratie wurde. Trotzdem gibt es in Frankreich zwei oder drei Häuser, in denen der Fürstentitel, der ehemals mit reichem Besitz verbunden war, über dem Herzogstitel steht. Das Haus Cadignan, das für seine ältesten Söhne den Titel eines Herzogs von Maufrigneuse zur Verfügung hat, gehört zu diesen Ausnahmen. Wie ehedem auch zwei Fürsten aus dem Hause Rohan hatten die Fürsten von Cadignan das Recht auf einen Thron innerhalb ihrer Besitzungen; sie durften sich Pagen und einen Hofstaat von Edelleuten halten. Diese Auseinandersetzung war nötig, um einerseits die dummen Ausstellungen derer abzuwehren, die nichts davon wissen, und um andrerseits die großen Grundzüge einer Welt noch einmal festzulegen, die, so sagt man, untergeht und mit der so viele zu tun haben, ohne sie zu verstehen. Die Cadignans haben als Wappen im goldenen Felde fünf eng aneinandergeschobene und zum Balkenstreif geordnete schwarze Rauten; als Devise führen sie das Wort ›Memini‹; die Krone ist geschlossen und zeigt weder Schildhalter noch Helmdecke. Heute beginnt die große Menge von Fremden, die nach Paris strömen, und die fast allgemeine Unkenntnis in heraldischen Dingen, den Fürstentitel beliebt zu machen. Echte Fürsten sind nur jene, die begütert sind und denen die Anrede ›Hoheit‹ gebührt. Die Verachtung des französischen Adels für den Fürstentitel und die Gründe, die Ludwig XIV. dafür hatte, dem Herzogstitel den Vorrang zu geben, haben verhindert, daß Frankreich für die wenigen Fürsten, die es in Frankreich gibt, mit Ausnahme derer Napoleons, die Hoheitswürde beanspruchte. Daher sehen die Fürsten von Cadignan sich ihrer Anrede nach im Vergleich zu den andern Fürsten des Kontinents in untergeordneter Stellung.
    Die Mitglieder jener Gesellschaft, die sich die Gesellschaft des Faubourg Saint-Germain nennt, begönnerten die Fürstin aus einem ehrfurchtsvollen Feingefühl heraus, das sie ihrem Namen – er gehört zu denen, die man ewig ehren wird –, ihrem Unglück, das man nicht mehr erörterte, und ihrer Schönheit, dem einzigen Rest ihres erloschenen Reichtums, verdankte. Die Welt, deren Zierde sie gewesen war, wußte ihr Dank dafür, daß sie
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