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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Autoren: Leo Trotzki
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Großmacht der Rauferei der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder nicht fernbleiben, wie es sich in der vorangegangenen Epoche auch der Einführung von Fabriken, Eisenbahnen, Schnellfeuergeschützen und Flugzeugen nicht hatte verschließen können. Der unter den russischen Historikern der neuesten Schule nicht seltene Streit, in welchem Maße das zaristische Rußland für die moderne imperialistische Politik reif gewesen wäre, verfällt häufig in Scholastik, denn sie betrachten Rußland in der Weltarena isoliert, als selbständigen Faktor. Indes war es nur das Glied eines Systems.
    Indien beteiligte sich am Kriege dem Wesen und der Form nach als Kolonie Englands. Die Einmischung Chinas, formell eine "freiwillige", war tatsächlich die Einmischung eines Sklaven in die Balgerei der Herren. Die Beteiligung Rußlands lag irgendwo in der Mitte zwischen der Beteiligung Frankreichs und der Chinas. Rußland bezahlte damit das Recht, mit fortgeschrittenen Ländern im Bunde zu sein, Kapital einzuführen und Prozente dafür zu zahlen, das heißt im wesentlichen das Recht, eine privilegierte Kolonie seiner Verbündeten zu sein; aber gleichzeitig auch das Recht, die Türkei, Persien, Galizien, überhaupt alle Länder, die schwächer und rückständiger waren als es selbst, zu knebeln und zu plündern. Der zwiespältige Imperialismus der russischen Bourgeoisie trug in seinem Kern den Charakter einer Agentur anderer, gewaltigerer Weltmächte.
    Das chinesische Kompradorentum ist das klassische Vorbild einer nationalen Bourgeoisie, gebildet nach dem Typus einer Vermittlungsagentur zwischen ausländischem Finanzkapital und einheimischer Wirtschaft. In der Welthierarchie der Staaten nahm Rußland bis zum Kriege einen bedeutend höheren Platz als China ein. Welchen Platz es, ohne die Revolution, nach dem Kriege eingenommen haben würde, ist eine andere Frage. Doch zeigten das russische Selbstherr-schertum einerseits und die russische Bourgeoisie andererseits die krassesten Züge des Kompradorentums: sie lebten und nährten sich von der Verbindung mit dem ausländischen Imperialismus, dienten ihm und konnten sich, ohne sich auf ihn zu stützen, nicht halten. Allerdings haben sie sich letzten Endes auch mit seiner Unterstützung nicht zu behaupten vermocht. Die halbkompradorenhafte russische Bourgeoisie hatte imperialistische Weltinteressen im gleichen Sinne, wie ein prozentual beteiligter Agent die Interessen seines Herrn teilt.
    Das Werkzeug des Krieges ist die Armee. Da jede Armee in der nationalen Mythologie für unbesiegbar gilt, sahen die herrschenden Klassen Rußlands keinen Grund, für die zaristische Armee eine Ausnahme zu machen. In Wirklichkeit stellte sie nur gegen die halbbarbarischen Völker, die kleinen Nachbarn und Staaten, die sich in Auflösung befanden, eine ernstliche Macht dar; auf der europäischen Arena war sie lediglich innerhalb von Koalitionen wirksam; in der Verteidigung erfüllte sie ihre Aufgabe nur in Verbindung mit der unermeßlichen Ausdehnung, der Bevölkerungsdünne und der Unpassierbarkeit der Wege. Ein Virtuose der Armee der leibeigenen Muschiks war Suworow. Die Französische Revolution, die einer neuen Gesellschaft und einer neuen Kriegskunst die Türen öffnete, sprach gleichzeitig das Todesurteil über die Suworowsche Armee.
    Die halbe Abschaffung der Leibeigenschaft und die Einführung der allgemeinen Militärpflicht modernisierten die Armee in den gleichen Grenzen wie das Land, das heißt sie trugen in die Armee alle Gegensätze der Nation, der noch erst bevorstand, ihre bürgerliche Revolution durchzumachen. Zwar wurde die zaristische Armee nach westlichen Mustern aufgebaut und ausgerüstet, doch betraf es mehr die Form als das Wesen. Das Kulturniveau des Bauern-Soldaten stand zu dem Niveau der Kriegstechnik in keinem Verhältnis. Im Kommandobestand fanden Kulturlosigkeit, Faulheit und Diebeswesen der herrschenden Klassen Rußlands ihren Ausdruck. Industrie und Transportverhältnisse enthüllten fortgesetzt ihre Unzulänglichkeit angesichts der konzentrierten Bedürfnisse der Kriegszeit. Die am ersten Kriegstage scheinbar sachgemäß ausgerüsteten Truppen erwiesen sieh alsbald nicht nur ohne Waffen, sondern auch ohne Stiefel. Im Russisch-Japanischen Kriege hatte die zaristische Armee gezeigt, was sie wert war. In der Epoche der Konterrevolution hatte die Monarchie mit Hilfe der Duma die Militärlager aufgefüllt und die Armee an vielen Stellen ausgeflickt, darunter auch die Reputation
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