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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Autoren: Leo Trotzki
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niedergeschrieben. Das auf diese Weise entstandene Büchlein Volk im Kriege ermöglicht einen Blick in jenes Laboratorium zu werfen, wo Bomben, Stacheldraht, Giftgase und Niedertracht der Behörden während vieler Monate das Bewußtsein einiger Millionen russischer Bauern bearbeiteten und wo neben menschlichen Knochen jahrhundertealte Vorurteile auseinanderkrachten. In vielen dieser urwüchsigen Soldatenaphorismen sind bereits Losungen des späteren Bürgerkrieges enthalten.
    General Russki klagt im Dezember 1916, Riga sei das Unglück der Nordfront. Das sei, wie Dwinsk, ein "von Propaganda durchsetztes Nest". General Brussilow bestätigte: aus dem Rigaer Bezirk kämen die Truppenteile demoralisiert an, die Soldaten weigerten sich, zur Attacke vorzugehen, einen Kompanieführer habe man mit den Bajonetten aufgespießt, man hätte einige Mann erschießen müssen, und so weiter. "Der Boden für die endgültige Zersetzung der Armee war lange vor der Umwälzung vorhanden", gesteht Rodsjanko, der mit Offizieren in Verbindung war und die Front wiederholt besucht hatte.
    Die anfänglich zersplitterten revolutionären Elemente waren in der Armee fast spurlos untergetaucht. Doch mit dem Wachstum der allgemeinen Unzufriedenheit kamen sie an die Oberfläche. Das strafweise Verschicken streikender Arbeiter an die Front füllte die Reihen der Agitatoren auf, und die Rückzüge schufen ihnen ein geneigtes Auditorium. "Die Armee im Hinterland und ganz besonders an der Front", meldet die Ochrana, "ist voll von Elementen, die zum Teil fähig sind, eine aktive Kraft des Aufstandes zu werden, während die anderen nur imstande wären, die Unterdrük-kungsarbeit zu verweigern ..." Die Petrograder Gouvernementsgendarmerieverwaltung meldet im Oktober 1916 auf Grund des Berichtes eines Bevollmächtigten des Semstwoverbandes, daß die Stimmung in der Armee besorgniserregend, das Verhältnis zwischen Offizieren und Soldaten äußerst gespannt sei, sogar blutige Zusammenstöße vorkämen und man überall zu Tausenden Deserteuren begegne. "Jeder, der in die Nähe der Armee kommt, muß den vollen und überzeugenden Eindruck von der unbedingten moralischen Zersetzung der Truppen gewinnen." Ans Vorsicht fügt der Bericht hinzu, daß man, obwohl vieles in diesen Äußerungen wenig glaubhaft erscheine, doch gezwungen sei, daran zu glauben, da viele von der aktiven Armee zurückgekehrte Ärzte Meldungen in gleichem Sinne erstattet hätten.
    Die Stimmungen des Hinterlandes entsprachen den Stimmungen der Front. Auf einer Konferenz der Kadettenpartei im Oktober 1916 hob die Mehrzahl der Delegierten die Apathie und den Unglauben an einen siegreichen Kriegsausgang hervor - "in allen Bevölkerungsschichten, besonders jedoch im Dorfe und unter der städtischen Armut". Am 30. Oktober 1916 schrieb der Direktor des Polizeidepartements in seiner Berichterstattung von der "überall und in allen Bevölkerungsschichten zu beobachtenden gewissen Kriegsmüdigkeit und der Sehnsucht nach baldigem Frieden, unter welchen Bedingungen immer er auch geschlossen werden würde ... "
    Nach einigen Monaten werden alle diese Herrschaften, Deputierte und Polizisten, Generale und Semstwobevollmäch-tigte, Ärzte und frühere Gendarmen, einstimmig behaupten, die Revolution habe den Patriotismus in der Armee getötet, und der sichere Sieg sei ihren Händen durch die Bolschewiki entrissen worden.
    Als Chorführer des kriegerischen Patriotismus wirkten ohne Zweifel die konstitutionellen Demokraten (Kadetten). Nachdem er seine problematischen Bande mit der Revolution schon Ende 1905 zerrissen hatte, erhob der Liberalismus mit Einsetzen der Konterrevolution das Banner des Imperialismus. Das eine ergab sich aus dem anderen. Fehlt die Möglichkeit, das Land vom feudalen Gerümpel zu säubern, um der Bourgeoisie den herrschenden Platz zu sichern, bleibt nur ein Bündnis mit Monarchie und Adel, um dem Kapital einen besseren Platz in der Weltarena zu sichern. Wenn es wahr ist, daß die Weltkatastrophe von verschiedenen Seiten vorbereitet worden und für ihre verantwortlichen
    Organisatoren bis zu einem gewissen Grade überraschend gekommen war, so ist ebenso unzweifelhaft, daß bei ihrer Vorbereitung der russische Liberalismus, als Inspirator der Außenpolitik der Monarchie, nicht die letzte Stelle eingenommen hatte. Den Krieg von 1914 begrüßten die Führer der russischen Bourgeoisie mit vollem Recht als ihren Krieg. In der feierlichen Sitzung der Reichsduma vom 26. Juli 1914 verkündete
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