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Sternenfaust - 191 - Nukleus

Sternenfaust - 191 - Nukleus

Titel: Sternenfaust - 191 - Nukleus
Autoren: Thomas Höhl & Sascha Vennemann
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    Persönliches Logbuch Dana Frost
     
    Gleich beginnt meine Schicht auf der Brücke. Ich löse Captain Mulcahy ab. Obwohl ich Cody Mulcahy in der anderen Zeitlinie als Teenager erlebt habe und inzwischen glaube, ihn ein wenig besser zu kennen, so ertappe ich mich doch noch immer dabei, mich zu fragen, was in ihm vorgeht. Allmählich verstehe ich jene, die in mir immer nur das Eisbiest sahen. Woher sollten sie auch wissen, wie es in mir aussah?
    Ich weiß, dass Cody Mulcahy schon in frühester Jugend auf grausame Weise gelernt hat, Schmerz zu ertragen. Den Schmerz zu erdulden und sich nach außen hin nichts anmerken zu lassen. Ob es jetzt auch so ist? Ist die stoische Ruhe, mit der er seine Schichten hinter sich bringt, nur eine Fassade, während er in Wahrheit vielleicht mehr leidet als wir alle?
    Seit dem letzten Akoluthorenfund sind nun schon wieder drei Wochen vergangen. Eines ist diesmal seltsam: Es gibt noch immer keinen Träger. Keinen Dodekor. Als warte das Amulett auf jemanden, der noch nicht an Bord ist.
    Dafür ist Bewegung in die Geschichte mit dem Bordsenat gekommen. Commodore Taglieri hatte vor einigen Tagen den Wahltermin auf den 1. August festgelegt. Das Ergebnis will er aber erst heute bekannt geben. Ich hatte dagegen keine Einwände, auch wenn es mir seltsam erschien, dass der Commodore für die Auszählung mehrere Tage veranschlagt. Er begründete es mir gegenüber trotzdem. Es sei der Solaren Verfassung für interstellare Wahlverfahren geschuldet. Aufgrund interstellarer Entfernungen zwischen verschiedenen Wahllokalen müsse ein solcher Zeitraum gewährt werden.
    Ich wollte mit ihm keine Diskussion anfangen, aber es ist natürlich absurd. Diesmal gibt es nur ein Wahllokal, und das ist die STERNENFAUST III mit knapp 600 Wählern. Aber vielleicht ist das die Fassade, die Vincent Taglieri benötigt, um nach außen hin zu funktionieren. Er sucht selbst dann hinter Regeln Deckung, wenn sie eigentlich sinnlos geworden sind.
    Wir sind schon ein witzige Truppe. Ein Eisbiest, ein Stoiker und ein Prinzipienreiter.
     
    *
     
    S.C.S.C. STERNENFAUST III
    im HD-Raum
    4. August 2273, 11.00 Uhr
     
    Immer wenn Dana Frost etwas Unangenehmes vor sich hatte, streckte sie den Rücken gerade durch und holte tief Luft.
    Der Seitenkorridor auf dem D-Deck der STERNENFAUST III war vollkommen leer. Außer dem leisen Summen des Antriebs war nichts zu hören.
    Dana fragte sich manchmal, ob Raumschiffkonstrukteure ihre Schiffe absichtlich so entwarfen, dass man stets das Antriebsgeräusch im Ohr hatte, weil es für das Wohlbefinden der Menschen wichtig war, in der unendlichen Stille des Alls wenigstens irgendein Geräusch zu hören.
    Instinktiv betastete Dana ihr Akoluthorum, das an einer Kette um ihren Hals hing. Ihre Finger fuhren über die weichen Kanten und die glatte, perlmuttartige Oberfläche. Das Akoluthorum war ein Teil von ihr, sie war emotional damit verbunden und nahm es niemals ab. Sie fragte sich, wie es sein würde, wenn sie es eines Tages wieder hergeben musste. Und sie erinnerte sich nur ungern an das Geschehen auf Berghan zurück, als ihr das Akoluthorum von einem Skianer abgenommen worden war. Sie hatte sich daraufhin sofort extrem unwohl gefühlt. Es klang albern, aber es war beinahe so gewesen, als habe man einen Teil ihrer Persönlichkeit – um nicht zu sagen, einen Teil ihrer Seele – geraubt.
    Denn wenn es ihnen tatsächlich gelingen sollte, alle zwölf Amulette zu finden, dann sollte unter den vereinten zwölf Akoluthoren der kosmische Appell geäußert werden. Und sich daraufhin im Kosmischen Panthesaurum das Dodekum bilden. So lautete die Prophezeiung, die sie im »Auge des Universums« vernommen hatte.
    Noch immer hatte Dana nicht den Hauch einer Ahnung, was diese Begriffe bedeuteten. Was um alles in der Welt war ein Kosmisches Panethesaurum? Und was war das Dodekum?
    Nur eines war naheliegend: Es würde der Tag kommen, an dem sie ihr Akoluthorum wieder abgeben musste.
    Und dann? Würde dann die Große Leere rückgängig gemacht werden? Würde der »Kosmische Appell« nur darin bestehen, in die Stille des Alls zu rufen: »Hallo, ihr da draußen? Bringt doch bitte die Milchstraße zurück!«
    Und was würde dann folgen?
    Vor allem aber blieb noch eine weitere Frage. Eine Frage, die Dana nicht laut auszusprechen wagte.
    Eine Frage, die sie kaum zu denken wagte.
    Dana schüttelte leicht den Kopf und holte tief Luft. Sie musste sich zusammenreißen. Für ihre Crew. Für ihr gemeinsames Ziel.
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