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Gerechte Engel

Gerechte Engel

Titel: Gerechte Engel
Autoren: Mary Stanton
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hinmurmelte. Verstohlen blickte sie auf ihre Armbanduhr. Es war fast Mittag. EB hatte eine einstündige Unterredung angesetzt, die um elf Uhr begonnen hatte. Bree war zu Hause mit ihrer Schwester Antonia zum Lunch verabredet. Anschließend wollte sie ins Büro in der Angelus Street.
    Justine tupfte an ihrem Haar herum, das kunstvoll von Strähnen durchzogen war. »Man muss daran arbeiten.«
    Justine war die Erste von Franklins ehemaligen Klienten, die auf EBs Rundschreiben mit der Mitteilung, dass Bree nun Franklin Beauforts Kanzlei übernommen habe, reagiert hatten. Wie Bree hatte auch der Richter zweierlei Klientel gehabt. Die Akten, die Franklin über seine sterblichen Klienten angelegt hatte, waren sorgfältig geführt worden. Justines Anliegen bestand darin, einige Veränderungen in ihrem Testament vorzunehmen. Veränderungen geringfügiger Art allerdings. Zuerst hatte sich Bree gefragt, ob sich die alte Dame vielleicht langweile und lediglich nach einer Möglichkeit suche, sich die Zeit zu vertreiben. Jetzt, da sie sie kennengelernt hatte, fragte sie sich, ob die Schauspielerin nicht etwas ganz anderes auf dem Herzen hatte. Bisher war das Gespräch allerdings ziemlich ziellos verlaufen.
    Doch das machte Bree nichts aus. Justine war 1930 geboren, das hieß, sie war achtzig Jahre alt. Nach Brees Dafürhalten waren ihre Versuche, durch übertriebenes Make-up und zu viele Schönheitsoperationen jünger zu wirken, tapfere Abwehraktionen gegen den Zahn der Zeit. Sie freute sich so sehr über ihre Rolle in dem Film, der gerade über den 1952 begangenen Mord an der Animierdame Haydee gedreht wurde, dass sie sich jeden Tag am Set einfand, und zwar trotz der schweren Arthritis, die ihre Handgelenke, ihre Hände und ihre Knöchel verkrüppelte. Sie hatte ein wenig Nachsicht verdient.
    Bree lehnte sich zurück, um zuzuhören.
    »Es lässt sich nicht leugnen, dass ich älter bin, als die heutigen Obermimen es haben wollen. Glücklicherweise sind Leute wie Phillip Mercury nicht seniorenfeindlich. Phillip Mercury ist nur daran interessiert, ob jemand Talent hat.«
    »Davon habe ich auch schon gehört«, behauptete EB. »Die Sunward Productions gehören doch ihm, oder?«
    »Ihm und der Bank«, sagte Justine zynisch. »Obwohl es, glaube ich, auch ein paar Sponsoren gibt. Jedenfalls hat sich der gute Phillip strikt geweigert, die Rolle der Consuelo Bulloch von jemand anderem spielen zu lassen.« Justine zupfte mit leicht selbstgefälliger Miene an ihrer Perlenkette herum. »Nicht nur, weil du in Savannah geboren und aufgewachsen bist, sagte er zu mir. Sondern wegen deiner aristokratischen Ausstrahlung.«
    »Diese Consuelo war die Mutter des jungen Alexander«, hielt EB fest. »Und Sie sagen, sie habe die arme Haydee gehasst wie die Pest?«
    »Noch mehr als die Pest«, erwiderte Justine genüsslich. »Jedenfalls hat sie keine einzige Träne vergossen, als man das arme Mädchen im Savannah treibend fand. In einer der besten Szenen im Drehbuch geht es darum, wie der Polizist O’Malley an der Haustür der Bullochs erscheint, um Consuelo und ihrem Sohn mitzuteilen, dass Haydee erstochen worden ist. Dabei fährt die Kamera ganz nahe heran, um eine Großaufnahme zu machen.« Sie nahm das Gesicht zwischen die Hände und riss die Augen auf, um dann mit ihren Lippen ein bestürztes »Oh« zu bilden. »Näher, näher, noch näher … und dann muss ich mit triumphierendem Gesichtsausdruck in die Ferne blicken. So verlangt es das Drehbuch.« Sie schloss ganz langsam die Augen und öffnete sie wieder. »So etwa.«
    Bree und EB wechselten skeptische Blicke. EB applaudierte und sagte: »Ist das nicht toll? Haben Sie das gesehen, Ms. Beaufort?«
    »Hab ich«, erwiderte Bree. »War großartig.«
    »Einfach wunderbar«, fügte EB hinzu.
    »Natürlich«, fuhr Justine fort, »ist Bitter Tide letzten Endes nur ein Fernsehfilm. Mit Theater im eigentlichen Sinne hat das nicht viel zu tun.«
    »Ich sehe regelmäßig fern«, erklärte EB. »Und Ms. Beaufort ebenfalls. Wenn man eine berühmte Schauspielerin ist, geht es doch darum, dass das Publikum einen nicht vergisst, nicht wahr? Und unzählige Leute kennen Sie wegen dieser Fernsehrolle, ich meine, als Sie die Mutter dieses Cops gespielt haben.«
    Justine seufzte theatralisch. »Die gute alte Serie Bristol Blues . Deshalb wird man mich in Erinnerung behalten. Nicht wegen meiner Lady Bracknell! Nicht wegen meiner Medea! Sondern bloß wegen dieser billigen Krimiserie.«
    Bree hatte Bristol Blues sehr
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