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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr
Autoren: Leo Sander
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Gärten der umliegenden kleinen Häuschen mischte sich in das Geknirsch meiner Schritte auf dem Kiesweg. Es roch nach gemähtem Gras. Die Menge der Gräber überraschte mich. Ohne Hilfe würde ich Franz Richter nicht finden. Am Ende des Friedhofsgeländes schaufelte ein Arbeiter Erde auf einen Traktoranhänger. Ich ging hin.
    »Gotisch. Fast tausend Jahre alt«, begrüßte er mich und neigte den Schaufelstiel zur Kirche. »Sie sind aber kein Tourist, oder?« Stämmig, braun gebrannt, struppiges schwarzes Haar, dünner Schnurrbart.
    »Nein. Ich bin gerade hergezogen. Ich suche das Grab von Franz Richter.«
    »Der Richter Franz. Gleich hier. Kommen Sie, ich zeige es Ihnen.« Der Mann lehnte seine Schaufel an den Traktor, wischte die Hände am blauen Overall ab und führte mich zu einem schlichten Grab.
    Auf ein Holzkreuz war ein schwarzes Schild genagelt. Darunter hing unter einer Plastikfolie der gleiche Partezettel wie meiner. Vor einem welken Kranz steckte ein Windlicht in der dunklen Erde.
    »Einfaches Reihengrab, dreizehn Euro«, intonierte der Mann. »Na, wenigstens keine Urne. Die sind zwar billiger, aber was sollen die Hinterbliebenen dann schmücken? Wo doch die alten Weiber so gerne ein bissel garteln. Sind Sie ein Verwandter?«
    »Nein, ich bin in seine frühere Wohnung eingezogen und dachte, ich schau einmal her.«
    »Das ist nett von Ihnen«, sagte er anerkennend. »Der hätte leicht noch ein paar Jahre vertragen, so schlank und gut beieinander wie der war. Die meisten sind ja fett und haben alle möglichen Krankheiten.« Er deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung Dorfzentrum. »Berghofer Wirt. Was soll man machen, wenn’s einem schmeckt.«
    »Haben Sie ihn begraben?«, wollte ich wissen. Die mit jedem Tag kräftiger werdende Sonne wärmte meinen Rücken.
    »Ja. Und hergerichtet auch. Ich schau mir die Toten immer vom medizinischen Standpunkt aus an, wissen Sie. Ist ein Hobby von mir. Ich hätte ja leicht Arzt werden können.« Er zog mit überlegenem Gesichtsausdruck ein großes Taschentuch aus dem Overall und schnäuzte sich vernehmlich. »Sauberer Genickbruch. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass wir so was je hatten.«
    »Gab es eine Obduktion?«
    »Nein, das wird nur bei diagnostischer Unklarheit gemacht«, dozierte er gemessen. »Der Doktor Koch hat ihn angeschaut und den Totenschein ausgestellt. Weil ohne Zettel darf ich ja nicht einmal anfangen zum Graben.« Er bückte sich und fischte die rote Plastikhülle einer leer gebrannten Kerze aus der Erde. »Obwohl«, fügte er nachdenklich hinzu, »der Koch, der sauft gern.«
    »Haben Sie Herrn Richter gekannt?«
    »Flüchtig. Wir haben manchmal ein paar Worte gewechselt, mehr nicht. Die meiste Zeit hat er beim Wandern und im Turnsaal mit den Alten verbracht. Wenigstens hat er die Vorfreude auf das bulgarische Puff gehabt. Die Pharmaindustrie macht’s möglich.« Er grinste. »Aber ich will ja nichts Böses über die Toten sagen.«
    »Ja, dann vielen Dank«, sagte ich, und wandte mich zum Gehen.
    Statt zurück zu seinem Traktor, ging er mit mir und sah mich von der Seite her an. »Angeln Sie vielleicht?«
    »Nein, warum?«
    »Weil ich betreibe mit meinem Schwager nebenbei ein Anglergeschäft. Wenn Sie da einmal was brauchen, jederzeit zu Diensten.«
    Ich sagte, ich würde daran denken, sollte ich je angeln wollen und verließ den Friedhof.

    *
    Die Zwiebel- und Karottenschnipsel zischten im Öl und füllten die Küche mit ihrem Aroma. Ich war sehr stolz auf die neuen Edelstahltöpfe. Starterset. Mein Magen knurrte. Ich rührte um und bumste absichtlich mit meiner Hüfte gegen Bettinas Po. Sie hatte enge Jeans und ein T-Shirt an. Bettina schaffte es stets mühelos, mit dem Prädikat Augenweide ausgezeichnet zu werden.
    »Oh, Verzeihung. Ist ja auch eine enge Küche«, sagte ich.
    Sie grinste und zeigte mit dem Salatschneidemesser auf mich. »Ein gemeinsames Nest würde dieses Problem natürlich lösen.«
    Ein Scherz? Bei Bettina wusste man nie. »Jetzt, wo ich endlich mein Bett zusammengeschraubt habe?«, sagte ich und guckte in den anderen Topf, in dem Salzwasser sprudelte.
    Auf dem Tisch standen unsere Weingläser. Am Nachmittag hatte ich die Küche in Ordnung gebracht und den Tisch zusammengebaut. Das Wohnzimmer war zwar noch voller Kartons, aber ich hatte sauber gemacht. Das Bett war mit frischer Wäsche bezogen. Den Wein hatte Bettina mitgebracht.
    »Außerdem ist es in Wien langweilig ohne dich«, sagte sie.
    Ich fischte mit dem Kochlöffel
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