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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr
Autoren: Leo Sander
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Modische Erscheinung. Alles klar.
    »Ich bin zur Testamentseröffnung hier. Nicht dass ich etwas erwarte. Aber dann ist alles erledigt.«
    »Wie alt war Ihr Vater?«
    »Siebzig. Die Polizei sagt, er ist in der Küche ausgerutscht und so unglücklich gefallen, dass er sich das Genick brach.« Sie musterte meine Küche.
    Ich war froh um den frischen Anstrich und die neuen Böden. Vielleicht sollte ich seinen Geist mit Weihrauch vertreiben?
    »Ist das ein Gummiknüppel?«, fragte sie plötzlich und zeigte durch die offene Küchentür ins Vorzimmer.
    »Einsatzstock. Minder gefährliche Waffe«, präzisierte ich und widerstand der Versuchung, sie zu fragen, ob sie ihn mal halten wollte. »Souvenir.«
    »Sind Sie Polizist?«, fragte sie interessiert.
    »War. Unsere Wege haben sich getrennt.«
    Die letzten sechs Monate hatte ich bei einer Versicherung verbracht. Diese Zeit – überbezahlt und ohne wirklichen Aufgabenbereich – hatte mein damaliger Chef arrangiert, damit ich finanziell wieder auf die Beine kam.
    Sie sah mich eine Weile unverwandt an und sagte unter energischem Kopfnicken: »Ich kenne Sie. Wenn ich auch im Ausland lebe, verfolge ich doch regelmäßig die Nachrichten. Sie sind Major Kant.«
    Ich gab es zu.
    »Sie waren das mit der Geiselnahme in Mödling. Und den ehemaligen Minister haben Sie auch verhaftet. Warum sind Sie weg von der Polizei?« Ihre Augenbrauen schossen fragend nach oben. »Sie sollten mittlerweile General sein, falls es so etwas gibt bei Ihnen.«
    »Die Polizei wollte weg von mir«, sagte ich. »Ich hatte schon immer Schwierigkeiten mit der Befehlskette.«
    »Und deshalb ziehen Sie in eine kleine Wohnung in das idyllische Kurzkirchen«, stellte sie fest.
    »Die Kostenschere.« Ich hob die Schultern. »Hat Ihr Vater jemandem Geld geschuldet?«
    »Ich weiß nicht. Nein«, sagte sie. »Warum?«
    »Nur so.«
    »Sagen Sie  … « Nachdenklich ließ sie ihren Blick über das Chaos schweifen, als hätte sie plötzlich eine Idee.
    »Ja?« Ich hoffte, dass sie mir kein anzügliches Angebot machte. Unerwarteter Damenbesuch und Phallussymbole im Vorzimmer. Abends würde Bettina kommen und die Einzelteile meines Betts waren noch überall verstreut.
    »Mein Vater war früher Turner. Reck, Barren, die gesamte Bandbreite. Ich meine, er war nie bei Wettkämpfen, aber er hat immer geturnt, trotz der Trinkerei.«
    »Ja?«, wiederholte ich ein klein wenig enttäuscht.
    »Er war immer fit. Damals zumindest. Und auf den Beinen war er wie eine Katze. Deshalb hat sich meine Mutter auch in ihn verliebt.«
    »So einer bricht sich in der Küche nicht das Genick?«, spekulierte ich.
    »Ja, so ungefähr.«
    »Haben Sie das der Polizei gesagt?«
    »Nein. Ich glaube nicht, dass die etwas unternehmen würden. Vielleicht habe ich auch nur Schuldgefühle. Aber ich empfinde es so, als würden in einem Buch am Ende die Seiten fehlen. Oder in einem Film die letzte Szene.«
    »Glauben Sie, dass Ihr Vater ermordet worden ist?«, sagte ich.
    »Nein. Aber ich würde beruhigt abreisen können, wenn jemand nachforscht. Sonst würde ich mich immer fragen, ob ich nicht auf eine genaue Untersuchung hätte drängen sollen.« Sie öffnete ihre Handtasche, auf der in großen Buchstaben »Prada« ins Leder gebrannt war.
    »Sie haben doch jetzt Zeit, oder?« Almuth Amras sah mich kritisch an.
    »Naja.« Ich deutete vage auf das herumliegende Werkzeug. »Eigentlich nicht.«
    Sie holte ein Portemonnaie hervor und zog eine Karte heraus. Während sie mit einem silberglänzenden Stift eine Telefonnummer daraufschrieb, sagte sie: »Ich werde Sie natürlich bezahlen. Mir erscheint das viel erfolgversprechender, als einen Privatdetektiv zu engagieren. Wo Sie doch bereits hier wohnen.« Sie lächelte gewinnend. »Und kompetent sind Sie ja.«
    Ich nahm die Karte entgegen. Almuth Amras. Acquisizioni. Eine Adresse in Mailand. Miss Triple A.
    »Das ist mein Mobiltelefon hier in Österreich. Ich hatte vor, zwei Wochen zu bleiben. Natürlich will ich Sie nicht überrumpeln. Aber Sie würden mir sehr helfen«, sagte sie mit geübtem Acquisizioni-Lächeln.
    »Wahrscheinlich kommt gar nichts dabei heraus«, versuchte ich sie zu bremsen. Nach dem muffigen Versicherungsbüro wäre ein bezahlter Ermittlungsauftrag allerdings eine angenehme Abwechslung.
    »Das wäre umso besser. Oh, natürlich. Verzeihung.« Sie schüttelte den Kopf über ihr Versehen, griff ins Portemonnaie und reichte mir einige große Scheine. »Anzahlung und Spesen. Ich hoffe, es reicht
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