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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr
Autoren: Leo Sander
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eine Nudel heraus und kostete. »Spaghetti brauchen noch ein Weilchen.«
    Ich mochte mein eigenes Reich. Hier genauso wie in Wien, wo es zugegebenermaßen etwas komfortabler gewesen war. Und ich misstraute der Heilen-Welt-Vorstellung vom aufeinanderklebenden Zusammenleben zutiefst. Wir wussten ja, wozu das geführt hatte. Zwar hatten wir nicht gemeinsam gewohnt, aber fast jede freie Minute miteinander verbracht. Bis die Minuten seltener wurden und sie eine Affäre mit einem Kollegen begann. Wir hatten uns getrennt und einander Untreue geschworen. Trotzdem verbrachten wir seit zwei Monaten immer wieder gerne Zeit miteinander. Bettina besuchte mich ab und zu. Heute war sie extra aus Wien angereist. Vielleicht hatte das erst der gewonnene Abstand möglich gemacht. Bei Bettina hatte sich allerdings schnell ein einseitiger Exklusivitätsanspruch entwickelt, über den sie leicht in Rage geriet.
    »Deine alte Wohnung war wirklich viel größer«, mäkelte sie und sah sich demonstrativ um.
    »Kann sein.« Ich nahm einen Schluck. Zweigelt. Burgenland. Hervorragend. »Hier gibt es dafür Vogelgezwitscher und Apfelbäume.«
    »Wenigstens bist du der Schuldknechtschaft entronnen«, gestand sie mir zu.
    »Das auch«, sagte ich fröhlich.
    »Hier fehlt jedenfalls noch einiges.« Ihre Blicke schweiften bedrohlich durch den Raum und nahmen bereits Maß.
    Für Vorhänge, die kleine Stoffhäufchen auf dem Boden bilden würden, auch wenn sie völlig korrekt von der Decke hingen. Und für schwarz lackierte Möbelstücke, die täglich feucht gewischt werden mussten, damit sie nicht das Flair eines Diskonttankstellencafés vermittelten. Verschönerungen. Die Hand einer Frau.
    Aber ich war auf der Hut. »Wie geht’s dir mit der Story?«, riss ich sie schnell aus ihren Innenarchitekturträumen. »Was Brauchbares recherchiert?« Ich gab großzügig Oregano und Basilikum in die Sauce.
    »Ich bin mir nicht sicher.« Sie verzog das Gesicht. »Jemand hat mir erzählt, dass gleich nach Fertigstellung der Wachtelberger Schnellstraße zwei Politiker samt Familien in brandneue Villen eingezogen sind.« Sie schälte zwei Knoblauchzehen, während sie sprach. »Für die Frauen gab’s Porsches«, sagte sie. »Es soll richtiggehende Bestechungspackages der Baufirmen geben, abgestimmt auf das Auftragsvolumen. Am lukrativsten für alle Beteiligten sind natürlich große Vorhaben.«
    Ich presste den Knoblauch in die Sauce und rührte um.
    »Außer für den Steuerzahler natürlich. Es gibt eine richtige Rangordnung. Eine Schnellstraße mit ein paar Brücken bringt wesentlich mehr Schmiergeld als eine poplige Autobahnauffahrt. Das wird wiederum von Flughafenerweiterungen und großzügigen Untertunnelungen in den Schatten gestellt. Laut meinem Informanten haben unsere Staatsdiener bereits eine recht hohe Erwartungshaltung.«
    »Wer ist denn dein Informant?«, fragte ich.
    »Ein Bauingenieur. Ist im Unfrieden von seinem Unternehmen geschieden und möchte es ihnen heimzahlen.«
    »Aus Unfrieden wird leicht ewiger Frieden«, sagte ich. Mir war gar nicht gut bei diesen Enthüllungen. »Pass auf dabei, ja?« Bettina war leider gleichermaßen stur wie kompetent. Sobald sie sich in etwas verbissen hatte, konnte ich sagen, was ich wollte.
    »Aber ja. Ist ja auch ein alter Hut und nicht meine erste Wahl«, sagte sie, breitete das weiße Tischtuch aus und zündete die Kerze an, die ich in eine leere Weinflasche gesteckt hatte. »Ich hätte viel lieber eine überregionale Geschichte, die ich dem Spiegel andrehen kann.«
    Draußen brauste abendlicher Wind durch die Apfelbaumblätter. Ich schloss Fenster und Jalousien und nahm Bettina in den Arm.
    »Ich bin gern bei dir«, sagte sie. Wir küssten uns. Die Nudeln kochten über.
    Wir saßen im Kerzenschein am Küchentisch. Das blutrote Funkeln ihres Glases fügte sich mit dem Schimmer ihres hochgesteckten schwarzen Haars zu einem Gemälde, das nur in meinen Gedanken existierte. Sie trug kein Make-up, wirkte aber trotzdem perfekt geschminkt. Ich sah sie an und war zufrieden mit der Welt.
    Sie konzentrierte sich auf ihr Weinglas, das sie mit zwei Fingern in kleinen Kreisen herumschob und sagte: »Morgen ist der Salsa-Abend.«
    Beim ersten Zeichen selektiver Vergesslichkeit meinerseits würde sie herabstoßen wie ein Habicht und meine Versprechen zitieren. Ich war zwar nicht so versessen darauf, hatte aber kürzlich gelobt, dass wir uns tanztechnisch weiterbilden würden. Was wir machten, war mir egal. Spaß hatten wir
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