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Die zweite Fahrt zur Schatzinsel

Die zweite Fahrt zur Schatzinsel

Titel: Die zweite Fahrt zur Schatzinsel
Autoren: Robert Leeson
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1.
Der alte Leichenbestatter
     
     
    Mein Leben fing mit einem
Begräbnis an und hätte damit auch zu Ende gewesen sein können — und niemand,
mich eingeschlossen, wäre klüger oder trauriger gewesen — wenn es nicht Meister
Oakleigh, den alten Leichenbestatter, gegeben hätte.
    Sie riefen ihn an jenem Tag zum
Armenhaus in der Stadt... im Westen des Landes. Eine arme Frau (Friede ihrer
Seele) war im Wochenbett gestorben. Den Vater (um ihn wird sich der Teufel
kümmern) konnte man nirgends finden. Ihr Baby war auch tot, schien es. Warum
auch nicht? Das Leben ist kein Honigschlecken. So baten sie Meister Oakleigh zu
kommen, damit er für den Sarg Maß nähme. Es ging zwar nur um eine arme Frau und
eine Bretterkiste, aber er war ein Handwerker und tat seine Arbeit sorgfältig.
    Als er sie dort auf der Bank
vor dem Haus liegen fand, ihr Kind an die Brust gedrückt, hob er das Kind einen
Augenblick beiseite, um ihre Lumpen ein wenig in Ordnung zu bringen. Und er
entdeckte zu seinem Vergnügen, nicht zu seiner Überraschung, denn einen
Leichenbestatter kann man nicht überraschen, daß das Kind nicht tot war.
    So hatte mein Leben durch einen
Zufall begonnen, und statt meine ersten Jahre (und alle folgenden) in einer
Kiste unter der Erde zu verbringen, verbrachte ich sie in Meister Oakleighs
Haus und wuchs mit seiner Enkelin Tilly auf. Er hatte uns beide gleich gern,
obwohl er uns nicht gleich behandeln konnte, weil sein Sohn, der junge
Oakleigh, ebenso eifersüchtig und gemein war, wie sein Vater offen und
großzügig. Mehr davon später.
    So lernte ich schnell, was für
mich das Gesetz des Lebens ist. Das Leben ist ein Spiel, in dem Glück und
Unglück einander folgen. Gewinn oder verlier, am Ende des Spieles nimmt der Tod
Karten, Einsatz und alles vom Tisch, und ab gehst du in die ewige Heimat, wie
es in der Bibel steht.
    Sobald ich laufen konnte, war
ich in der Werkstatt. Dort wurde gesägt, gemeißelt und gedübelt, genagelt und
mit Brettern geknallt, doch bei aller Mühe war es ein vergnügter Ort. Sobald
ich die Straße zum Gasthof „Der Fuchs und die Trauben“ mit einem großen Krug in
der Hand hinunter trotten konnte, war es meine Aufgabe, das Bier
herbeizuschaffen, ohne das kein Handwerker arbeiten konnte.
    Denkt nicht, daß Meister
Oakleigh und seine Gesellen Trinker wären. Nicht im geringsten ,
sie tranken nur zur rechten Zeit und bei jeder passenden Gelegenheit und
hielten sich immer an die Regeln. Die Regeln waren zahlreich und die
Gelegenheiten immer zur Stelle. Wenn ein Mann sich mit dem Holzhammer auf den
Daumen schlug und seinen Schöpfer verfluchte (der unsere Hand bei allem führt),
pflegte John, der älteste Geselle, mit seinem Meißel an eine Schraubzwinge zu
schlagen. Alle hörten auf zu arbeiten und schätzten den Fluch ein, sagen wir
auf einen Sixpence oder einen Shilling, je nachdem wie kräftig der Fluch und
wie groß ihr Durst war. Und damit die Strafe keine Bitternis hervorriefe, wurde
das Vergehen sogleich bereinigt. Schon war ich mit dem Sixpence oder Shilling
auf dem Weg zum Gasthof „Der Fuchs und die Trauben“ und brachte den schäumenden
Krug zurück, um die gute Laune wieder herzustellen.
    Wenn zwei Männer sich stritten,
brauchte man nur an die Schraubzwinge zu schlagen, und die anderen bildeten
eine Jury, schätzten die Meinungsverschiedenheit oder Beleidigung ein, sprachen
ihr Urteil, sammelten das Geld ein, und fort lief Tom mit dem Krug die Straße
hinunter. Kleiner Tom nannten sie mich, denn ich war klein, und ich wuchs nie
aus dem Namen heraus. Geburtstage, Heiligenfeste, Quartalstage, alle wurden der
Reihe nach und auf gleiche Weise ausgezeichnet. Überflüssig zu erwähnen, daß
niemand ohne einen Abschiedsgruß in die ewige Heimat ging. Die Holzhämmer
schlugen schwer, die Späne flogen von den Meißeln, die Sägen kreischten, und
der Krug machte die Runde.
    Und wenn die Arbeit schwer
wurde, räusperte Meister Oakleigh sich, stimmte ein Lied an, und die andern
fielen mehrstimmig ein: „Alle Menschen, die auf Erden leben...“
    Wenn die Arbeit flott von der
Hand ging, hob John an:
    „Eine Jungfrau werd’ ich nie
wieder sein, bis Äpfel wachsen auf Orangenbäumen...“
    Sie redeten über mancherlei,
über Holz und Werkzeug, über die Ansichten der Alten und der Jungen und viel
über Leben und Tod, worüber sie alles wußten, was es zu wissen gab. Wenn ein
vornehmer Sarg mit Messinggriffen und Satinfutter die letzte Politur erhielt,
legte Meister Oakleigh seine Hand
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