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Horror Factory - Pakt Mit Dem Tod

Horror Factory - Pakt Mit Dem Tod

Titel: Horror Factory - Pakt Mit Dem Tod
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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    Hermans erste Begegnung mit dem Tod fand auf den Tag genau eine Woche nach seinem Geburtstag statt, und wie es bezeichnend für den Rest seines Lebens sein sollte, unter eher unerwarteten, auf jeden Fall aber höchst außergewöhnlichen Umständen.
    Dabei hätte es der wichtigste Tag seines bisherigen Lebens werden sollen, wurde ihm doch nicht nur eine große Ehre zuteil, sondern war der erste Schritt, den er an diesem Morgen aus dem Haus getan hatte, zugleich auch der erste Schritt in ein vollkommen neues und zweifellos aufregendes Leben. Jedenfalls war seine Mutter in den zurückliegenden Tagen nicht müde geworden, genau das immer und immer wieder zu behaupten, und selbst sein Vater, dem normalerweise kein gutes Wort über die Lippen kam, hatte ein zustimmendes Nicken beigesteuert. Und selbstverständlich war Herman in dieser Nacht so aufgeregt gewesen, dass er kaum Schlaf gefunden hatte. Wenn er das nächste Mal auf die kleine Farm am Stadtrand von Milton zurückkehrte, auf der er zusammen mit seinen Eltern und seinen beiden Geschwistern lebte, dann zwar ganz gewiss nicht als Erwachsener, aber eben auch nicht mehr als unbedarftes Kind. Das jedenfalls waren seine Erwartungen gewesen.
    Stattdessen rannte er um sein Leben. Seine Lungen brannten, als atmete er gemahlenes Glas ein, jeder Schritt kostete ihn ein winziges bisschen mehr Kraft als der davor, und ihm war, als würden ihm abwechselnd links und rechts rot glühende Nadeln in die Seite getrieben, jedes Mal, wenn er Luft holte. Er rannte trotzdem weiter, grimmig entschlossen, erst anzuhalten, wenn er seine Verfolger endgültig abgeschüttelt hatte, oder einfach weiterzurennen, bis sein Herz platzte und er tot umfiel.
    Das Schlimmste war, dass es ihm vermutlich nicht einmal viel nutzen würde, den beiden Kerlen zu entkommen. Selbst wenn ihm das Unmögliche gelang, erwartete ihn bei seiner Rückkehr kein besseres Schicksal, denn gleich am Anfang seiner verzweifelten Flucht war er gestürzt und hatte sich die Hose zerrissen, und seine rechte Schuhsohle hatte sich gelöst und kommentierte nicht nur jeden Schritt mit einem verräterischen Flapp-Flapp-Flapp, sondern verlangsamte ihn auch zusätzlich, und das, obwohl die beiden größeren Jungen mit ihren längeren Beinen ohnehin viel schneller laufen konnten als er. Seine Mutter würde ihn vorwurfsvoll ansehen und noch trauriger sein als sonst – mit Recht, wusste Herman doch, dass sich die ganze Familie das Geld für den Anzug und die teuren Lederschuhe wortwörtlich vom Mund abgespart hatte – und sein Vater würde ihn gewiss verprügeln, vielleicht sogar mit dem schweren Ledergürtel, den Herman so sehr fürchtete, dass er manchmal schon zusammenzuckte, wenn er die Schnalle nur aufmachte, um Wasser abzuschlagen. Und für die nächsten Wochen oder Monate würde auf der Farm ein noch größerer Anteil an Arbeit auf ihn entfallen; wenn nicht sogar für immer.
    So oder so stand es schlecht um seine Zukunft, denn so fantasielos und wortkarg sein Vater sonst auch sein mochte, entwickelte er doch einen erstaunlichen Einfallsreichtum, wenn es um das Ersinnen von neuen und immer drastischeren Strafen ging.
    Das Geräusch der Kirchenglocke drang in seine Gedanken und wollte ihn für einen Moment mit einer wilden Hoffnung erfüllen, vielleicht – irgendwie – doch noch mit dem Leben davonzukommen, doch dieser verzweifelte Funke fand nicht einmal Zeit, vollständig Gestalt hinter seiner Stirn anzunehmen, bevor sich seine Vernunft einmischte und ihm unerbittlich klarmachte, dass das vermeintlich rettende Geräusch ja möglicherweise nur wenige Dutzend Schritte hinter ihm erscholl, genauso gut aber auch von der Rückseite des Mondes stammen konnte. Die Glocke rief die letzten Nachzügler zum Sonntagsgottesdienst, aber Reverend Folsoms kleine Methodistenkirche befand sich auch am anderen Ende der Stadt. Er hatte nicht den Hauch einer Chance, sie zu erreichen …
    Und als wäre die Stimme seiner Vernunft allein noch nicht laut genug, erscholl genau in diesem Moment hinter ihm ein triumphierendes Heulen, unmittelbar gefolgt vom Trappeln harter schneller Schritte. Herman griff seinerseits noch einmal schneller aus, sah über die Schulter zurück und erkannte gerade noch einen seiner Verfolger, der hinter ihm um die Ecke bog, da verfing sich seine lose Schuhsohle auch schon irgendwo und riss mit einem Geräusch endgültig ab, als würde ihm die Fußsohle vom Fleisch gefetzt; und zumindest in diesem Moment schien es ihm auch
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