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Alien 4: Die Herren der Erde

Alien 4: Die Herren der Erde

Titel: Alien 4: Die Herren der Erde
Autoren: Paul J. McAuley
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DER KÖNIG
DES HÜGELS

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    Wenn ich von meinem Schreibtisch aufblicke, kann ich auf dem
stufenförmig ansteigenden Hügel oberhalb des Waldsaums
Cadbury Castle sehen – im hellen Sonnenschein, und doch
irgendwie finster, geheimnisvoll, drohend. Einzigartig. Eines der
schönsten Beispiele für eine englische Festungsanlage. Wenn
ich dabei unwillkürlich an König Artus und seine
ritterliche Tafelrunde denke, an Merlin und die Geschichte von
Britannien, gewinnt das Gemäuer eine ganze andere Bedeutung. In
ihm nimmt eine Legende Gestalt an, es wird zum Relikt eines Traumes.
Und wegen David hat die Burg für mich persönlich noch eine
andere Dimension. Sie ist das Ende – oder ein Anfang.
    Mein Neffe David kam zu mir, nachdem seine Eltern im vom Krieg
zerrissenen Yorkshire bei einem Verkehrsunfall getötet wurden.
Ein amerikanischer Armeelastwagen hatte den Bus, in dem sie
saßen, gerammt und von der Straße gedrängt. Die
Hälfte der Insassen kam dabei ums Leben. Ich war Davids
nächster Verwandter, und die Behörden schickten ihn zu mir,
nachdem man ihn aus dem Krankenhaus entlassen hatte. (Auch er
saß an jenem schrecklichen Abend in dem Bus.) Er war ein
ernster, ruhiger und aufmerksamer Junge von vierzehn Jahren,
gewissenhaft und für einen Jungen seines Alters fast zu
höflich. Die rasierte Fläche in seinem roten Haarschopf
zeigte deutlich die frische Kopfwunde. Trotzdem verlor er über
den Unfall kein Wort.
    Eine Woche lang herrschte zwischen uns beiden, dem Neffen und
seinem eigenbrötlerischen, wenn auch berühmten Onkel, der
als Junggeselle lebte, eine merkwürdige Spannung.
Schließlich gab ich mir einen Ruck und nahm ihn mit auf meinen
Lieblingsspaziergang um die von Gräben gesäumten
grasüberwucherten Wälle von Cadbury Castle.
    Ein schmaler Weg zwischen hohen Hecken führt vom Dorf South
Cadbury zum Hügel. Der Baumgürtel an seinem Fuß
präsentierte sich in dieser Jahreszeit – es war ein nasser,
windiger Märztag – kahl und nackt, war aber trotzdem dicht
genug, um die Hügelkuppe vor dem Blick zu verbergen. Wir stiegen
den befestigten Weg hinauf, der zwischen den Bäumen durch das
Unterholz an den Überresten der alten Burgwälle zu dem
achtzehn Morgen großen Feld auf der Kuppe führt. (Ich
für meinen Teil bevorzuge ja den weniger bekannten Feldweg auf
der anderen Hügelseite. Leider hat er bei Regenwetter so seine
Tücken.) Der Wind biß uns ins Gesicht, und wir
mußten häufiger größere Pfützen umrunden
oder darüber hinwegsteigen.
    Dreißig Jahre zuvor hatten Archäologen hier einen
Tempel, einen Schrein aus der Jungsteinzeit und die
Säulenfundamente einer großen Halle ausgegraben. Ich
zeigte David die Stellen, wo die Säulen früher gestanden
hatten. Die Löcher waren inzwischen alle wieder mit Erde
gefüllt – wie auch die flache Mulde, die den ehemaligen
Eingang zu dem Saal markierte. Die Archäologen waren auch auf
zersplitterte Skelettknochen gestoßen. Man vermutete, daß
ihre ehemaligen Besitzer einem der vielen römischen Massaker zum
Opfer gefallen waren.
    Mehr als fünftausend Jahre diente Cadbury Castle den
jeweiligen Bewohnern als Festung. Die primitiven Befestigungsanlagen
der Jungsteinzeit waren in der Eisenzeit, während der der
Hügel seine endgültige Form erhielt, und auch später
von den Kelten weitläufig ausgebaut und verbessert worden. Die
römischen Eroberer wiederum schleiften die Wälle zum Teil,
um den Einheimischen bei einem Aufstand jede Fluchtmöglichkeit
zu nehmen, und bauten hier quasi als Entschädigung für die
Zerstörungen einen Tempel. Nach dem Rückzug der Römer
machte man sich daran, die Wälle wieder aufzubauen. Dabei
schichtete man Stein um Stein auf die alten Fundamente und zog die
Mauern viel höher als zuvor. Vielleicht hatten sie dem
sagenumwobenen Camelot tatsächlich einmal Schutz gewährt,
waren eine letzte Zuflucht gewesen gegen die heranstürmenden
Sachsen – das letzte Aufschimmern einer großen Zeit, ehe
Britannien im dunklen Lauf der Geschichte versank.
    David folgte schweigend meinem kleinen Exkurs in die Geschichte.
Er wirkte dabei nicht direkt mürrisch, eher etwas abwesend, ein
Verhalten, das er auch im Haus ständig an den Tag legte –
ein junger Mensch, allein und einsam und fehl am Platz. Ich schlug
ihm vor, zur Hügelkuppe aufzusteigen, deren westliches Ende
›Arthurs Thron‹ genannt wird. Er zuckte nur die Achseln in
seiner gelben Windjacke, als ob ihm alles gleich sei, und brach auch
nicht sein
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