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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd
Autoren: Jo Clayton
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nur so weiter, du bist mein Verbündeter - obwohl du das nicht einmal ahnst.
    Kalyen-Tej zuckte ungeduldig mit den Schultern, sagte etwas mit leiIser Stimme und kam zu ihr herübergeschritten. Er nahm ihre Hand. „Kannst du für einen Moment aufstehen?” murmelte er.
    Nach einem Sekundenbruchteil erwiderte sie leise: „Ich bin steif und ein wenig benommen, das ist alles.”
    Ihr Vater schob seine Hand unter ihren Arm und war ihr beim Auf-stehen behilflich. Er hielt sie, stützte sie, bis sie nickte, dann führte er isie langsam mehrere Schritte von den Stufen weg. „Tut eure Arbeit”, rief er den abwartenden Cazarits über die Schulter hinweg zu, und seine Stimme war kalt und diszipliniert. Lilit blickte zu ihm auf. Sein Gesicht’ war bleicher als gewöhnlich, und seine Augen zeigten jenen glasigen Blick, den sie stets dann annahmen, wenn er unter einer seiner in letz-ter Zeit häufiger auftretenden Migränen litt.
    Ohne zu überlegen, tätschelte sie seinen Arm, um ihn zu trösten, als wäre er Metis. Er wirkte erst verblüfft, dann grimmig. Er sagte nichts, sondern blickte über die Schulter zur Treppe hin. „Dies wird bald vorbei sein.” Seine Stimme war gefaßt, unpersönlich, er trug wieder seine Eismaske, der Moment der Schwäche, in dem er sie beinahe angesehen hätte, war hinwegdiszipliniert. Er geleitete sie wieder zu den Stufen zurück, erlaubte, daß sie Platz nahm, und kehrte zu der Gruppe auf dem silbernen Stern zurück. Ihre Hände lagen wieder locker gefaltet auf ihrem Schoß, und so beobachtete sie, wie er neben der häßlichen Frau zu stehen kam, wie er sich ungezwungen mit ihr unterhielt, so ungezwungen, wie er normalerweise nur mit Männern redete.
    Die Suche dauerte an; einige Cazarits eilten hinaus, um das Fundament der Halle zu inspizieren -jedenfalls nahm sie das an. Sie waren so argwöhnisch wie der schlimmste der Tejed. Sie spähte durch die Portale hinaus und sah, wie sich der Himmel in ein tiefes Violett verwandelte, fast schwarz, in den samtigen Flecken der Finsternis erblühten einige wenige Sterne. Und die Cazarits waren noch immer da und stocherten noch immer herum.
    Sie fühlte sich benommen. Sie schwamm in Erschöpfung und in den Giftdämpfen des Kleides.
    Als sich ihr Blick wieder klärte, stand die rothaarige Frau neben ihr.
    „Du bist krank”, sagte sie leise; ihre Augen blickten zu gerissen, zu verstehend.
    Lilit starrte sie an. „Nein.”
    „Ich bin Heilerin, Despina.” Sie streckte eine lange, schlanke Hand aus, berührte Lilit jedoch nicht. „Wenn du es mir erlaubst, kann ich dir helfen.”
    Lilit starrte die Hand lange an, sie war stark; sie konnte Leben darin fühlen - wie Elektrizität, die Haut war glatt, weich, aber die Sehnen und Muskeln darunter gaben ihr eine Vitalität und ein Aussehen, das sie zugleich seltsam und attraktiv fand. Sie wollte sich von der Hand berühren lassen, doch sie wagte es nicht. „Nein”, wiederholte sie schließlich. „Es gibt Gründe”, sagte sie, und diese Worte wurden beinahe aus ihr herausgepreßt. Sie hob den Kopf und sah an der Frau vorbei. „Die Kröte, die mich aus ihren Krötenaugen anglotzt.”
    Die Frau blickte über die Schulter und sah Aretas, der sie beobachtete; mit einem Schaudern drehte sie sich wieder um.
    „Komm mit uns”, sagte sie eindringlich. „Ich kann dich hier herausholen. Ich gebe verdammt wenig auf dieses ganze Theater hier.”
    Die Benommenheit in Lilit nahm zu. Als sich ihr Verstand wieder klärte, dauerte es noch einen Moment, bis sie sich daran erinnerte, was die Frau gesagt hatte. Und dann war die Versuchung fast stärker, als sie es ertragen konnte; sie seufzte, und dieses Seufzen klang in ihren Ohren wie ein Aufschluchzen. „Nein”, erwiderte sie. „Es gibt Gründe dafür.”
    Die Frau streckte ihre Hand so plötzlich aus, daß Lilit keine Zeit fand, sich zu bewegen oder auch nur zu protestieren. Kurz lagen kühle Finger auf ihrem Handgelenk und wurden dann wieder weggerissen. „Ich verstehe”, flüsterte sie. „Du bist sicher?”
    „Ja”, antwortete Lilit. Sie hätte mehr gesagt, doch dies war plötzlich eine zu große Anstrengung für sie, außerdem war sie nicht der Meinung, mehr sagen zu müssen. Die Frau verstand.
    „Möge alles so sein, wie du es wünschst”, sagte die Frau, drehte sich um, ging davon und blieb stumm neben ihrer jungen Gefährtin stehen. Das Mädchen sagte etwas, und die Frau schüttelte den Kopf.
    Bring das hier hinter dich, dachte Lilit. Mach Schluß und
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