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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz
Autoren: Ake Edwardson
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Absperrung um die Baracke war entfernt worden. Back to business. Hinter der Pizzeria standen die Hochhäuser mit der Breitseite zur Straße hin aufgereiht – gelber Ziegelstein oder gelber Putz, drei Stockwerke, und Wide sah, dass bei einem Haus rechter Hand, fünfundsiebzig Meter den Hügel hinauf, der Putz abblätterte. Der schwarzgraue Fleck hatte die Form von Schweden und Norwegen oder eines erschlafften Penis, wenn man in der heiteren Laune für einen derartigen Vergleich war, aber Wide hatte an diesem Ort des Verbrechens, wo Menschen verschwanden, keine heitere Laune.
    Was könnte er sonst noch tun? Eine eigene Suchaktion starten? Gestern war er in Kajsa Lagergrens Wohnung an der Ecke der Västgötagatan und Smålandsgatan eingebrochen, nein, nicht eingebrochen, er hatte Schlüssel, die überall passten. Bevor er das Haus betrat, hatte er zum Polizeipräsidium hinaufgeschielt, das schräg über die Straße lag, und hatte Ard bedächtig zugewinkt, falls Ard in dem Augenblick dort oben am Fenster saß und über Leben und Tod nachgrübelte.
    Sie wohnte dem Vaterhaus wahrhaftig nah. Vielleicht schaffte das die richtige Distanz.
    Wide hatte Ard davon in Kenntnis gesetzt, dass er einbrechen würde, und, um es ganz klar zu machen, auch den Zeitpunkt angegeben, da er gern wollte, dass sie den Alarm ausschalteten. Er wollte allein gehen. Warum? Kein Wühlen in Papieren, das war schon geschehen. Das Privatleben in dieser Wohnung war gründlich verletzt worden, aber niemand glaubte, dass Kajsa Lagergren hinterher protestieren würde. »Das kann sie gern machen«, hatte Ard gesagt, »sie darf bei Gott sagen, was sie will, zu wem sie will, wenn sie es nur sagen kann.«
    Er wollte nicht mehr als eine Weile hier sitzen, und das tat er nun. Um die Decke der geräumigen Zweizimmerwohnung in dem Patrizierhaus lief Stuckatur, und genau über seinem Kopf war eine Gipsblume, in der ein Lüster hätte hängen können.
    Zwei Sessel, ein niedriger, breiter Tisch aus einem dunklen Holz, das er nicht kannte. Einige Plakate hinter Glas von einer Picasso-Ausstellung und einem Springsteen-Konzert. Drei Bilder, Impressionismus, in die er sich bei anderer Gelegenheit hätte vertiefen können. Geschliffener Holzfußboden, der matt im Schein der Stehlampe glänzte, die er angeknipst hatte. In der Ecke eine Musikanlage, drei Regale voller Bücher – mehr, als die meisten Leute haben, dachte er, blieb jedoch sitzen. Hier und da ein wenig Keramik. Nicht viele Pflanzen. Hatte es früher mehr gegeben? Waren sie vertrocknet, weggeworfen worden?
    Auf der Schwelle zum Schlafzimmer blieb er stehen. Das Bett war abgedeckt worden, das Bettzeug für die Analyse auseinander gerissen worden. Auch das würde sie akzeptieren müssen. Das Allerprivateste in drei Buchstaben zusammengefasst: D-N-A. Aber wozu führte es … Zu einem gesuchten Liebhaber? Viel Glück, Labor, dachte er und wandte sich ab. Dies Schlafzimmer kam ihm vor wie ein Raum für Schlaf und nicht viel anderes.
    Die Küche war klein und dunkel, Geschirr in der Spüle. Sein Wissen über Frauen, die allein lebten, war begrenzt, aber aus den Studienjahren erinnerte er sich an die Unordnung, die er in ihren Küchen gesehen hatte. Die Studentenkorridore: Dort, wo überwiegend junge Frauen wohnten, entstand in den Küchen neues Leben mit vor Geschirr überquellenden Spülen.
    Wo Männer dominierten, glänzten alle Flächen. Das sagte vielleicht eine ganze Menge über die Menschheit aus, vom Dreck in den Ecken und sauberen Höllen. Wide hatte die Statistik nicht hundertprozentig im Kopf, aber er war davon überzeugt, dass die richtig erfolgreichen Mörder im Allgemeinen Pedanten waren.
    Auf einer Anrichte rechts stand eine Mikrowelle. Wide vermutete, dass es das am häufigsten benutzte Gerät in der Küche war.
    Als er auf die Straße kam, war die Temperatur weiter gesunken. Er ging zum Stureplatsen hinunter. Seine Windschutzscheibe war mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Er kriegte die Autotür nicht auf. Anderer Leute Wohnungen kriegte er auf, aber nicht sein eigenes Auto. Wide ging zur Tankstelle beim Nya Ullevi und kaufte eine kleine, farblose Plastikflasche Enteiser. Auf dem Rückweg zum Auto hielt er den Autoschlüssel in die kalte Luft. Er bekam die Autotür auf, kratzte die Scheibe frei, fuhr vom Parkplatz und an der katholischen Kirche vorbei, wo eine Gruppe Menschen auf der Treppe stand. Er fädelte sich auf die Mittelspur der Nya Allén ein.
    Das war am Vortag gewesen. Außerdem hatte
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