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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz
Autoren: Ake Edwardson
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er sämtliche Wohnungsgesellschaften der Stadt angerufen, um sich zu erkundigen, ob irgendwo ein Gunnar Thisenius wohnte. Das nannte er seine Beschäftigungstherapie. Fahnden, um das Gehirn in Gang zu halten.
    Gunnar Thisenius wohnte in keinem Haus der Wohnungsgesellschaften. Nicht in Göteborg oder Västra Frölunda. Nicht in Kungsbacka oder Kungälv. Er hatte es auch in Mölndal probiert, aber auch dort Fehlanzeige.
    Villa? Eigentumswohnung? Alles konnte man kontrollieren, sich damit beschäftigen.
    Wide startete den Motor, fuhr rückwärts vom Parkplatz und verließ Högsbohöjd.
     
    Er hatte alles unter Kontrolle, oder? Ganz ruhig, ganz ruhig. Er hatte es kaum gewagt, sie allein zu lassen, nicht bei offenem Fenster. Es war so schwer, mehrere Sachen gleichzeitig zu tun, aber das Fenster schloss er nie und er wollte es auch jetzt nicht tun. Also musste der Lappen her, das gefiel ihm jedoch nicht und ihr auch nicht.
    Sie war krank gewesen, und das war wohl am besten so. Dann hatte sie sich ein wenig erholt, aber nun ging es ihr wieder schlechter, das sah er ihr an. Sie roch nicht gut. Das machte nichts. Er fühlte nichts mehr für sie, hatte er das vorher getan? Sie schien die Strafe zu verstehen. Sie hatte viel geweint, aber er verstand nicht, was sie damit bezweckte.
    Sie hatte sich übergeben, er hatte es aufgewischt und kein Wort gesagt. Jetzt wusste sie es, und das hatte er ja auch beabsichtigt, oder? Dass sie angekommen war am richtigen Ort. Er war nicht sicher, ob es entdeckt worden war, hielt es aber für wahrscheinlich. Er hatte niemanden vergraben.
    Warum sollte er darunter leiden? Er hatte genug gelitten, jetzt waren sie an der Reihe. Sie zitterte. Sie hatte geredet und geredet, aber er hatte ihr überhaupt nicht zugehört, hatte nur getan, was zu tun war.
    Jetzt war sie still, und das war nicht verwunderlich. Aber er hatte erwogen, ihr alles zu erzählen, denn er hatte es noch nie jemandem erzählt. Vielleicht hätte er es tun sollen, und vielleicht hatte er sie nur deswegen hierher gebracht, um es zu tun. Vielleicht hatte er gewartet, weil er nicht wollte, dass sie zuhörte, sondern still dalag, als würde sie zuhören; aber ihm war klar, dass das keine Rolle mehr spielte. Vielleicht würde er sie retten. Es sagen? »Ich werde dich retten, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.« Aber würde sie das verstehen?
     
    Bevor sie wieder in einer Fieberwelle versank, hatte sie die Ironie in allem erkannt, das Sonderbare. Oder vielleicht die verwickelte Logik, die darin lag, besessenem Verhalten und Abweichungen zu folgen: Indem sie nach den Schwarzmasken gesucht und sie gefunden hatte, war sie an den lokalen neuesten Feind Nummer eins der Gesellschaft geraten. Sie hatte zunächst vermutet, ein Verrückter habe sie gekidnappt. Hatte gehofft, sie würde es auf eigene Faust schaffen, hier wegzukommen. Aber die Zeichen für das Gegenteil hatten sich vermehrt, und das letzte Schreckliche war die Antwort, die war negativ, und dann war das Fieber wieder gestiegen und sie aß nichts mehr.
    »Hören Sie mich?«
    Nur so. Plötzlich hatte er etwas gesagt, und das war, als ob sie an einem ganz anderen Ort gelandet wäre.
    In dem Augenblick hatte sie nicht geantwortet, hatte versucht, ihre Gedanken und sich zu sammeln, aber sie fand noch keinen Halt.
    »Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«
    Kajsa Lagergren konnte ihn nicht sehen, er saß oder stand direkt hinter ihr; es war Abend oder Nacht, alle Lichter waren gelöscht. Licht fiel nur durchs Fenster, kalt und rauchig.
    »Jjj…jjja.«
    »Möchten Sie etwas zu trinken haben?«
    »Nn…nein.«
    Sie hatte angefangen, ihr Bewusstsein zusammenzusetzen, Stück für Stück. Vom Fieber spürte sie so wenig, dass sie schon hoffte, es wäre ganz vorbei.
    »Wo bin ich?«
    Keine Antwort.
    »Ich möchte wissen, wo ich bin.«
    »Sie sind hier.«
    »Sie können mir doch sagen, wo das ist.«
    »In meinem Haus.«
    »Sie besitzen ein Haus?«
    »Ich wohne in einem Haus. Jeder Mensch wohnt doch wohl in einem Haus. Reden Sie nicht mit mir, als wäre ich ein Idiot. Sie haben die ganze Zeit solche Sachen gesagt, als wäre ich ein Idiot. Das bin ich ja wohl nicht, oder?«
    »Nein.«
    Danach hörte sie nichts mehr, er verließ das Zimmer und kehrte zurück. Sie sah seine Konturen, als er das Licht vom Fenster passierte.
    »Ich hab die da erschlagen.«
    »Ja.«
    »Ich will nicht sagen, dass sie es verdient haben, es ist viel mehr als das.«
    »Ja.«
    Er hatte ihr sein Leben erzählt und
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