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Geh aus, mein Herz

Geh aus, mein Herz

Titel: Geh aus, mein Herz
Autoren: Ake Edwardson
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keine Kraft, konkret festzuhalten, was ihr hier geschah. Einige Male, als sie zu sich gekommen war, hatte sie Fragen gestellt, aber der Mann irgendwo da hinten am anderen Ende des Zimmers oder der Wohnung hatte wieder nicht geantwortet.
    Dann hatte sie ihn seitlich am Fenster lehnen sehen; es war wieder Abend und die Wohnung war dunkel. Bevor sie ihn wieder sah, war er hinter ihr und hatte ihr den stinkenden Lappen über den Mund gezogen, hatte ihn fest in den Mund hineingedrückt, und sie dachte, sie müsste ersticken, als der Lappen ihr die Nase verstopfte, aber durch den Hals bekam sie etwas Luft. So lag sie da, als es an der Tür klingelte. Sie hatte das Gefühl, als würde die ganze Welt warten: ihretwegen eine stille Minute im ganzen Universum.
    Ein Klingelsignal, zwei. Schritte, die sich entfernten, ein dumpfes Geräusch aus dem Treppenhaus, als würde es in seinen Grundfesten erschüttert. Dann wurde der Lappen von ihrem Mund gezogen, sozusagen in letzter Sekunde.
     
    Wide ließ es vier-, fünf-, sechsmal klingeln, führte den Hörer nach unten, hörte ein leises Krächzen von drinnen und hielt ihn wieder ans Ohr.
    »Hallo?«
    »Ja, hallo?«
    Eine dünne Stimme, er konnte sie kaum hören, als würde die Person am anderen Ende den Telefonhörer zwei Meter vom Mund entfernt halten.
    »Bin ich da bei Thisenius?«
    »Hpm …« (Unverständlich.)
    Das reicht keine hundertvierzig Kilometer weit, dachte Wide, als ob die Wörter nur gerade den Körper des Alten am anderen Ende verlassen könnten.
    »Mein Name ist Jonathan Wide. Ich rufe aus Göteborg an.«
    »Mhm … ja?« (Räuspern.)
    »Ich bin ein alter Bekannter von Gunnar.«
    Keine Antwort.
    »Hallo?«
    »Wer ist da?«
    »Mein Name ist Jonathan Wide. Ich möchte gern mit Gunnar Thisenius sprechen.«
    »Gunnar.«
    »Ja, kann ich bitte mit Gunnar sprechen?«
    (Räuspern.) »Ist es …?« (Unverständlich.)
    »Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden.«
    »Wer ist da?«
    Jesus, lebte dieser Mann allein? Musste Wide nach Jönköping fahren, um dem Gesicht auf die Spur zu kommen?
    »Gunnar Thisenius? Ist er da?«
    »Gunnar? Bist du das?«
    So ging es noch eine Weile hin und her.
    Wide wollte schon auflegen, als es im Hörer raschelte und eine Frauenstimme ertönte, kräftig und deutlich nach dem Gemurmel vorher.
    »Hallo? Wer ist da? Hallo?«
    »Hallo. Guten Tag. Mein Name ist Jonathan Wide, ich rufe aus Göteborg an. Mit wem spreche ich?«
    »Ich heiße Birgitta Olsson, ich bin die Pflegerin von Eskil Thisenius, mit dem Sie gerade gesprochen haben.«
    »Zumindest habe ich es versucht.«
    »Ich verstehe. Was wünschen Sie?«
    »Ich bin ein alter Bekannter von Gunnar Thisenius und möchte gern Kontakt zu ihm aufnehmen.«
    »Gunnar? Hier wohnt kein Gunnar.«
    »Ich dachte … Vielleicht weiß der Mann, wo sein Sohn jetzt wohnt.«
    »Sein Sohn? Hat er einen Sohn? Davon weiß ich nichts, aber ich arbeite hier auch noch nicht lange.«
    »Spricht er nie von einem Sohn?«
    »Er sagt nie etwas, was einen Sinn ergibt. Er hat sich nur zufällig am Telefon gemeldet, weil ich gerade in der Küche zu tun hatte.«
    »Ich hatte den Eindruck, er kannte den Namen.«
    »Aha.«
    »Gibt es jemanden, der etwas mehr über die Familie weiß?«
    »Hier bin nur ich.«
    »Ich meine, in der Stadt, bei der Kommune.«
    »Da müssen Sie den Pflegedienst anrufen.«
    »Den Pflegedienst. Das werde ich machen. Danke.«
    »Danke.«
    Wide erhob sich und griff nach dem Telefonbuch, diesmal hielt er sich an den lokalen Teil.

30
    Bei der Telefongesellschaft kam es auf Nummern an – Personennummer, Telefonnummer. Dergleichen konnte Wide von Gunnar Thisenius nicht nennen und da waren Microfiches oder wie das hieß keine Hilfe. Das digitale Archiv war nicht auf Namen aufgebaut: »Wenn Sie eine Nummer haben, rufen Sie uns gern wieder an, dann können wir überprüfen, wer wann welche Nummer hatte oder wo er oder sie wohnte.«
    Das war ein kleiner Fortschritt. Hatte Thisenius früher einen Telefonanschluss gehabt, dann konnte man ihn in der Vergangenheit aufspüren.
    Er hatte nie einen Pass besessen, aber er war irgendwann geboren worden, und in Sävsjö war Wide richtig. Es gab einen Gunnar, geboren in Vetlanda, dann wohnhaft in Sävsjö. Peter Sjögren hatte Recht gehabt. Wide hatte auch versucht, Nils-Ewert Bengtsson zu erreichen, um sich das bestätigen zu lassen oder mit ihm ein Gespräch über das Gedächtnis zu führen, aber der Alte war »auf Dienstreise«, und Wide konnte ihn sich vorstellen,
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