Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
Telefonmarketing-Seminar nicht vorgesehen gewesen.
    Ich setzte mich wieder an meine Liste. Die Trennung von Anton, pro und kontra. Bei Kontra schrieb ich: Darf Anton nie wieder riechen. Weiter kam ich nicht, weil mich bei dem Gedanken daran ein Weinkrampf schüttelte.
    * * *
    »Sie haben ein Fibroadenom«, sagte der Gynäkologe. »Wie ich vermutet hatte. Das ist harmlos und muss auch nicht operativ entfernt werden.«
    Ich war so erleichtert, dass ich nicht mal wütend wurde. Diese ganze Prozedur, die Rennerei von Untersuchung zu Untersuchung, und das alles nur, damit am Ende bestätigt wurde, was der Gynäkologe von Anfang an gedacht hatte. Aber wie gesagt, ich war zu erleichtert, um wütend zu werden.
    »Geht es von alleine wieder weg?«
    »Eher nicht. Man muss es beobachten.«
    »Ja. Das werde ich.«
    Spontan wollte ich Anton anrufen, als ich aufgelegt hatte, aber dann fiel mir wieder ein, dass wir uns ja getrennt hatten. Also heulte ich ein bisschen und rief bei Trudi an. Sie freute sich,dass ich nun aller Voraussicht nach noch ein bisschen länger leben würde.
    »Schließlich wirst du Patentante«, sagte sie.
    »Nein!«
    »Doch!«, rief Trudi. »Ich habe eben den Test gemacht. Jetzt suche ich nach den passenden italienischen Vokabeln. Ist das Leben nicht voller wunderbarer Überraschungen?«
    »Doch«, sagte ich und weinte wieder ein bisschen. Diesmal vor Freude. Dann lief ich los, um in der Stadt nach einem Rückenkratzer zu suchen. Ich fand ein sehr schönes geschnitztes Modell in Form einer stark vergrößerten, mürrisch dreinschauenden Hausstaubmilbe; das würde Julius sicher gefallen.
    Als Weihnachtgeschenk für Dascha und Valentina hatte die Mütter-Mafia sich etwas einfallen lassen müssen. Da Dascha zu stolz war, um Geschenke anzunehmen, aber dringend neue Möbel für ihre neue Wohnung benötigte, schenkten wir ihr einen Gutschein von Ikea, von dem wir behaupteten, ihn gewonnen zu haben. Außerdem behaupteten wir, beim besten Willen nichts von Ikea zu benötigen, bis auf ein Paket Teelichter.
    Glücklicherweise fiel Dascha darauf herein und umarmte mich glücklich.
    »Ich so froh, dass ich euch kennen gelernt habe«, sagte sie. »Und dass Mitglied beim Club der netten Mütter ich bin.«
    »Wir sind auch sehr froh, dass du bei uns Mitglied bist«, sagte ich und fühlte mich für einen Augenblick ganz wunderbar.
    »Wie geht es Anton?«, fragte Dascha.
    Da musste ich leider ein bisschen weinen.
    »Haben Sie gehört, dass es dieses Jahr weiße Weihnachten geben soll?«, fragte mich Herr Wu, als ich auf dem Rückweg Orangen und Chinakohl bei ihm kaufte.
    Nein, das hatte ich noch nicht gehört. Ich konnte auch nichtso recht daran glauben. Wenn es hier mal schneite, dann blieb der Schnee höchstens zehn Minuten oder so liegen. Aber dieses Jahr war es wirklich kalt.
    Auf unserem Hausstein saß Anton und blies weiße Atemwölkchen in die Luft.
    »Ich habe nicht mal einen Hausschlüssel von dir bekommen«, sagte er.
    Ich war so erleichtert, ihn zu sehen, dass ich kein Wort herausbrachte. Gleichzeitig fürchtete ich, er könne wieder gehen.
    »Hast du schon gehört, dass es weiße Weihnachten geben soll?«, fragte Anton.
    »Ja«, sagte ich.
    Anton nahm mir die Tüten ab. »Bitte sei so gut und schließ die Tür auf, ja? Ich muss dringend meinen Hintern auftauen.«
    Der vertraute Anton-Geruch nach frisch gebackenem Brot und einem Hauch Zitrone stieg mir in die Nase, und mir wurde vor Sehnsucht ganz flau im Magen. »Warum bist du gekommen, Anton?«
    »Ich wollte wissen, was die Biopsie ergeben hat«, sagte Anton. »Es ist ein harmloser Nüpsel. Genau, wie der Arzt vermutet hatte.«
    »Gott sei Dank«, sagte Anton. »Ich hatte mir schon das Schlimmste ausgemalt ... Ab jetzt werden wir dich jeden Tag zweimal abtasten, ist das klar?«
    »Ich dachte, wir hätten uns getrennt«, sagte ich. »Weil ich dich angelogen habe.«
    »Ja, das hast du. Allerdings nicht in den wesentlichen Dingen«, sagte Anton. »Ich brauchte ein paar Tage, um das zu erkennen. Mimi hat mir außerdem geraten, eine Liste zu machen. Pro und Kontra Trennung.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Und weißt du was?« Ich schüttelte den Kopf.
    »Mir ist überhaupt nichts für die Pro-Seite eingefallen. Nur eine Million Gründe, mit dir zusammen zu bleiben.« Ich fing schon wieder an zu weinen.
    »Was das Haus angeht - wenn du unbedingt hier wohnen bleiben willst, dann können wir doch einfach anbauen. Auf dem Seitenstreifen zu Hempels hin kann man sich ja
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher