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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus
Autoren: Kerstin Gier
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herzten Mimi, bis sie uns von sich schob.
    »Dieses doofe Sozial-Projekt von der Mütter-Society war also doch zu was gut«, sagte ich. »Wie geht es eigentlich Coralie?«
    »Ach, der Süßen geht es gut«, sagte Mimi. »Seit das Projekt abgebrochen wurde, kommt sie allerdings lieber mittwochabends vorbei. Oder auch mal montags morgens.«
    »Aber da hat sie Schule«, sagte ich.
    »Sie kommt nur, wenn Unterrichtsstunden ausfallen«, sagte Mimi. »An dieser Schule fallen verdammt viele Unterrichtsstunden aus, und die Kinder hängen dann einfach so in der Gegend rum. Ich freue mich, wenn Coralie stattdessen zu mir kommt und mit mir frühstückt.«
    »Sie ist in der fünften Klasse - da kann man doch nicht einfach während der Freistunden das Schulgelände verlassen«, sagte Anne.
    »Das ist heute nicht mehr so streng«, sagte Mimi. Ich musste lachen. »Das ist das, was du glaubst«, sagte ich. »Du und Anton, wollt ihr wirklich auch noch ein Baby?«, fragte Anne.
    »Ich habe manchmal das Gefühl, er würde es wollen«, sagte ich. »Aber ehrlich gesagt haben wir schon genug andere Probleme. Ich denke ziemlich oft, Anton will nur wegen Emily mit mir zusammenziehen. Und ich habe Angst, meine eigenen Kinder könnten zu kurz kommen. Und dann ist da noch dieser ... Nüpsel.« Als es einmal raus war, fühlte ich mich seltsam erleichtert. Natürlich nahmen es mir meine Freundinnen übel, dass ich ihnen nichts von dem Knoten in der Brust erzählt hatte. Aber sie hatten auch jede Menge tröstliche Geschichten parat, über Frauen, die schon zig Knoten in der Brust gehabt hatten, und alle seien sie harmlos gewesen.
    »Eine Biopsie ist außerdem längst nicht so schlimm wie eine Mammografie«, beteuerte Anne. »Es piekst ein bisschen, aber wenigstens hat man nicht das Gefühl, man klemmt mit dem Busen in einer Heißmangel fest.«
    Und damit hatte sie wirklich recht: Die Biopsie ging schnell und vergleichsweise schmerzfrei über die Bühne. Man darf sich nur nicht klarmachen, was in so einer Situation mit einem geschieht. Einfach Augen zu und durch.
    »Und Sie werden mir ganz sicher vor Weihnachten Bescheid geben?«, fragte ich die Sprechstundenhilfe, als ich es hinter mich gebracht hatte.
    »Ganz sicher«, sagte die Sprechstundenhilfe. »Ihr Gynäkologe bekommt das Ergebnis in spätestens vier Tagen zugestellt.« Die gute Frau war hellauf begeistert von den Gummistiefeln mit roten Elchen auf weißem Grund. Ich hatte ihre Größe perfekt geraten. Und damit sie nicht glaubte, ich wolle sie bestechen, hatte ich behauptet, ganz viele von diesen Stiefeln zu haben und nicht zu wissen, wohin damit. »Weihnachten werden Sie beruhigt schlafen können.«
    »Wenn es kein Krebs ist«, sagte ich.
    »Manchmal ist eine Krankheit auch ein Segen«, sagte die Sprechstundenhilfe, und da hätte ich ihr die Stiefel gern wieder weggenommen.
    Blöde Kuh.
    * * *
    Wenn die Kinder abends im Bett waren, surfte ich im Internet durch Brustkrebsforen und heulte mit jeder einzelnen Frau, teils aus Mitleid, teils, weil ich mir vorstellte, ich könnte es sein.
    »Du musst damit aufhören«, sagte Anton, als ich ihm davon erzählte. »Du steigerst dich da total in was rein.«
    »Ach ja? Ich habe den verdammten Knoten doch nicht gefunden«, rief ich. »Das warst du! Hättest du deine Finger von mir gelassen, wüsste ich bis heute nichts davon und würde ein friedliches Leben haben.«
    Da lachte Anton und sagte, er bereue nichts und würde es jederzeit wieder tun. Sehr gerne auch jetzt sofort. Oder etwas später, wenn die Kinder im Bett waren.
    Die Gelegenheit wäre wirklich günstig gewesen. Emily war in England und Anton frei wie ein Vogel. Ich war schon bereit, es zumindest mal zu versuchen, als Antons Handy klingelte.
    Um sprechen zu können, musste er hinaus in den Garten, ganz nach hinten durch, denn im Haus hatten wir nirgendwo Empfang. Nelly trieb das regelmäßig in den Wahnsinn, aber ich fand das irgendwie cool. Ein Funkloch mitten in einer Großstadt, das hatte doch was.
    Als Anton wieder hereinkam, guckte er böse.
    »Hat Frau Hempel was aus dem Fenster gerufen?«, fragte ich. »Da darfst du dich nicht dran stören.«
    »Das war Frau Hittler vom Maklerbüro Hittler und Kamps«, sagte Anton. »Sie wollte sich noch mal rückversichern, dass wir wirklich kein Haus mehr suchen. Sie sagt, du hättest das gesagt.«
    »Oh, ja ...«
    »Wir suchen also kein Haus?«
    »Im Augenblick nicht«, sagte ich. »Und wann wolltest du mir das sagen?«
    »Was?«
    »Dass du
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