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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres
Autoren: James White
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daß wir uns in einer Zwangslage befanden. Die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges genügte damals, um die Entscheidung zum Bau der Flotte herbeizuführen. Wir hatten einfach nicht genug Zeit, um das übliche Versuchsprogramm mit allen wünschenswerten Testreihen durchzuführen, wie es der Einführung neuer Drogen und Methoden vorausgehen sollte.«
    »Ich verstehe durchaus, daß die Zeit begrenzt war, Heiler«, entgegnete Gerrol. »Aber man hat uns erklärt, die neue Technik sei sicher!«
    »Trotz der Zeitknappheit«, fuhr der Heiler fort, ohne auf den Einwurf einzugehen, »wurde die Technik vervollkommnet und verbessert, soweit das auf unserem Heimatplaneten möglich war. Diese Einschränkung kann nicht nachdrücklich genug betont werden! Es ist schwer vorauszusagen, welche Auswirkungen die Schwerelosigkeit auf eine Person hat, deren Stoffwechselprozeß und deren Lebensfunktionen durch Kälteschlaf zum Stillstand gekommen sind. Dieser Umstand könnte jedoch eine Rolle spielen. Wahrscheinlicher allerdings ist, daß wir es mit den Auswirkungen ultravioletter und anderer Strahlung zu tun haben. Vielleicht ist es auch die Kombination von Schwerelosigkeit und Strahlung, oder sogar ein Faktor, der uns bisher unbekannt ist. Wo immer die Ursache liegen mag, unser System des künstlich herbeigeführten Scheintods hat sich als nicht fehlerfrei erwiesen. Die Auswirkungen sind auf den ersten Blick geringfügig, aber sie sind kumulativer Natur und ernst genug, um auf lange Sicht diese ganze Operation zum Scheitern zu bringen.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte der Nachrichteningenieur. »Sie sagen, die Auswirkungen seien geringfügig – jedenfalls so geringfügig, daß sie keine tödlichen Folgen haben werden. Warum können wir nicht wie geplant weitermachen und das Beste hoffen?«
    »Es bleibt uns gar nichts anderes übrig«, erwiderte der Heiler beißend. »Machen Sie weiter und hoffen Sie das Beste – solange Sie genug Hirn haben, um hoffen zu können, und das wird nicht lange sein, glauben Sie mir! Ich habe jetzt definitiv nachgewiesen, daß die Zellenstruktur von jeder Abkühlung und darauffolgender Erwärmung geschädigt wird und daß die Gehirnzellen am schwersten in Mitleidenschaft gezogen werden.
    Seit unserem Start vor annähernd zehn Jahren habe ich mich mit diesem Problem beschäftigt«, fuhr er etwas ruhiger fort. »Die Versuche wurden natürlich mit Tieren angestellt, was bedeutet, daß sie mir ihre Symptome nicht mit Worten deutlich machen konnten, aber es gibt genug Methoden, auch so zu gesicherten Ergebnissen zu gelangen. Meine Testreihen begannen mit den kleinsten Laboratoriumstieren und endeten mit Schlachttieren von der achtfachen Masse unserer Körper. Die Ergebnisse ließen für Zweifel keinen Raum. Ich war meiner Sache sicher, noch bevor die Erwärmung des Kapitäns den endgültigen Beweis lieferte.«
    Er warf Deslann einen entschuldigenden Blick zu. »Nach der ersten Erwärmung ist der Effekt nicht weiter besorgniserregend. Er äußert sich in leichten, anhaltenden Kopfschmerzen, die mit Medikamenten beseitigt werden können. Dann ist da noch ein vorübergehendes Gefühl leichter Verwirrung. Es ist schwierig, sich an Personen und Ereignisse zu erinnern, aber das Erinnerungsvermögen ist immer noch da, und nach kurzer Zeit arbeitet das Gedächtnis wieder einwandfrei.
    Nach der zweiten Erwärmung würde es anders aussehen. Der Effekt würde sich deutlicher bemerkbar machen. Weite Gebiete der Erinnerung sind dann nicht mehr verfügbar, und was noch an Erinnerungen da ist, wird verblaßt oder verzerrt sein. Die jüngsten Erinnerungen und angelernten Kenntnisse verschwinden als erste. Sie alle werden Ihre Erfahrungen mit bejahrten Verwandten haben, der die jüngeren Erinnerungsschichten abzutragen scheint, so daß diese alten Leute zunehmend in der Vergangenheit leben. Was jedoch hier geschieht – und ich sage das bewußt vereinfachend, weil keiner von Ihnen auf diesem Gebiet Spezialist ist –, läßt sich am besten so beschreiben, daß die winzigen elektrochemischen Ladungen, mittels derer die Gehirnzellen Daten speichern, erst teilweise und dann völlig verschwinden, wenn das fragliche Gehirn wiederholter Hypothermiebehandlung unterzogen wird. Nach zwei Tiefschlafperioden würde ich keinem von Ihnen zutrauen, dieses Schiff zum Zielgebiet zu navigieren oder dort zu landen.
    Nach der dritten oder vierten Erwärmung«, endete er leise, »würden Sie nicht mehr wissen, wie Sie zum anderen Ende des Schiffes
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