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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres
Autoren: James White
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starren und an die ebenso völlige Schwärze des Tanks dahinter, an die Dunkelheit des Schiffes rundum und an die dunkle See jenseits zu denken – eine Art vierfach destillierter Dunkelheit. Es kam ihm dabei nie in den Sinn, daß wenige Meter über ihnen gleißendes Sonnenlicht auf den Wellen tanzen könnte. Sanft von den Schlingerbewegungen des Schiffes gewiegt, sah er die Bilder, die sein Geist vor diesem makellos schwarzen Hintergrund vorbeiziehen ließ, und versuchte nachzudenken.
    Die Wellenbewegungen schienen viel weniger ausgeprägt zu sein als bei seinem letzten Versuch, Schlaf zu finden. Er stellte sich eine seltsam stille Meeresoberfläche vor, kaum von einem Lufthauch bewegt, doch er wußte auch, daß dieses Bild auf den Nordatlantik im Februar kaum zutreffen konnte. In seinem Geist formte sich ein zweites und glaubwürdigeres Bild. Das riesige dunkle Wrack des Schiffes, noch schwimmfähig, aber in einem Zustand des labilen Gleichgewichts, sank unter dem Einfluß der bewegten See unmerklich tiefer ab, während das Wasser immer mehr isolierte Luftblasen verdrängte, die sich in allen möglichen Winkeln des Wracks gehalten hatten, wo es keine so wasserdichte Verriegelung wie in den Haupttanks gab. Er grübelte über die Lösung dieses Problems nach, und wenn er keine fand, wandte er sich anderen Problemen zu.
    Er konnte nicht schlafen, und etwas anderes gab es nicht zu tun.
     

5
     
    Ein anderes Schilf trieb in einem unvergleichlich gewaltigeren Ozean, und auch hier gab es einen Kapitän, der verzweifelt nach einer Antwort suchte. Die Probleme ähnelten sich insoweit, als sie beide mit der Alternative Leben oder Tod aufwarteten, unterschieden sich jedoch darin, daß der Tod in Deslanns Fall jedes lebende Wesen in der gesamten Flotte von Unthan ereilen würde.
    Deslanns anfängliche Verärgerung über seinen Vorgänger Kapitän Gunt hatte sich inzwischen in Sympathie verwandelt. Er hatte nicht nur das volle Ausmaß ihres gemeinsamen Dilemmas und die sich daraus ergebenden Folgerungen erkannt, sondern auch die verzweifelten Versuche, mit denen sein Ko-Kapitän eine Lösung zu finden gehofft hatte. Das Logbuch enthielt eine Fülle Material über das Problem, seit es vor über einem Jahr seinem Vorgänger zur Kenntnis gekommen war. Kapitän Gunts Gedanken waren in einer sympathischen, unpersönlichen und nichts dramatisierenden Art aufgezeichnet. Er bat Deslann nicht, irgend etwas zu unternehmen, aber das Logbuch machte klar, daß Gunt einen Punkt erreicht hatte, wo er sich zugunsten des anderen Kapitäns vom Kommando zurückziehen und tiefkühlen lassen mußte.
    Die Mannschaft hatte Gunt um baldige Kühlung gebeten, da ihre Arbeit getan war, doch er glaubte ihnen die Erlaubnis nicht geben zu können. Nicht bevor er den Leuten alles gesagt hatte, was er wußte. Andererseits wollte er ihnen das Schlimmste ersparen, solange der andere Kapitän noch nicht über das Problem unterrichtet war, denn wie das Logbuch andeutete, bestand immer noch die Möglichkeit, daß Kapitän Deslann mit seinem völlig frischen und unbelasteten Geist eine Lösung finden würde, zu der Gunt keinen Zugang fand. Bliebe eine solche Lösung unerreichbar, könnte Deslann die Mannschaft informieren und dabei hoffen, daß einer der Leute mit einer Idee aufwarten würde.
    Deslann hatte in sechs Tagen keine Lösung gefunden, und weil Gerrol in seinem Verlangen, endlich gekühlt zu werden, nachgerade impertinent geworden war, hatte Deslann die Mannschaft unterrichtet. Oder, um der Wahrheit die Ehre zu geben, er ließ den medizinischen Offizier reden, während er selbst die Reaktionen beobachtete und sich verzweifelt bemühte, die Hoffnung nicht ganz aufzugeben.
    »Gewiß hat es Hinweise gegeben, daß so etwas geschehen kann!« unterbrach Gerrol gereizt den Vortrag des medizinischen Offiziers. »Die Überwinterungsanästhesie wurde vor fünfzehn Jahren vervollkommnet. Die Flotte – das Gelingen der ganzen Operation hängt davon ab!«
    Der Astrogator brach ab, unfähig, Worte zu finden, die seiner Entrüstung angemessen waren. Auch die beiden Techniker und der Ingenieur der Rechenanlage schwiegen. Der medizinische Offizier sah einen nach dem anderen an. »Die Technik wurde mit Erfolg ausprobiert, aber die Versuchsperson war ein Freiwilliger, der um das Risiko wußte. Während wir die Technik zu verbessern versuchten, stellte sich heraus, daß viele der späteren Freiwilligen nicht soviel Glück hatten wie er. Aber Sie dürfen nicht vergessen,
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