Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres
Autoren: James White
Vom Netzwerk:
Larmer überdrüssig, schien es wirklich nicht der Mühe wert zu sein, wenn er Wallis mit Freundlichkeit begegnete. Die vom Sturm und den U-Booten bedrohte Reise war schon unangenehm genug, doch die Anwesenheit der Royal Navy belastete die Bordatmosphäre zusätzlich.
    Es hatte schon immer gewisse traditionelle Gegensätze zwischen der Handelsschiffahrt und der Kriegsmarine gegeben, denn weil sie unter schärferer Disziplin härter und für geringeren Lohn arbeiten mußten, war es nur natürlich, daß die Dienstgrade der Kriegsmarine sich ihren schlampig gekleideten und überbezahlten Kollegen von der Handelsschiffahrt überlegen fühlten. Das schlechte Wetter, die allgemeine Spannung und der chronische Mangel an Schlaf taten ein übriges, die Reibungen zu verstärken. Larmer war überzeugt, daß sein erster Offizier und der Marineleutnant, der sich mit dem Maschinenraum vertraut zu machen hatte, miteinander hätten verkehren können, ohne ständig den Eindruck zu erwecken, sie wären im Begriff, einander mit Messern an die Kehlen zu gehen. Und er war der Meinung, daß der Kapitänleutnant wenigstens einmal am Tag ein paar außerdienstliche Worte sagen könnte. Soweit Larmer sehen konnte, war Radford die einzige Ausnahme unter diesen Marinetypen; Radford, der Schiffsarzt, den man der »Gulf Trader« zugeteilt hatte, als der Tanker der Royal Navy unterstellt worden war. Auch Radford war kein leutseliger Typ, aber auf dieser Reise hatte er so viel zu tun bekommen, daß man ihn allgemein bewunderte. Der Gedankengang brachte Larmer auf die Nachricht in seiner Hand und die wenigen unzulänglichen Maßnahmen zurück, die er zu ihrer Beachtung treffen konnte.
    »Es tut mir leid«, sagte er, »daß ich die Party unterbrechen muß, die Dickson und Ihr Arzt mit diesen Mädchen haben, aber unter diesen Umständen ist es wohl besser, wir bringen sie nach oben. Ich meine, sie sind auf dieser Reise schon einmal torpediert worden…«
    Während Larmer sprach, stand Wallis von seinem Sitz auf. »Der Arzt wird damit nicht einverstanden sein«, meinte er. »Den Verbrennungsfall und Ihren Mr. Dickson wird er für transportunfähig erklären. Vielleicht ist es ratsam, wenn ich ihm den Grund persönlich erkläre.« Damit verließ er das Ruderhaus.
    Das Schiff hatte auf dieser Reise mehr Schiffbrüchige als gewöhnlich an Bord. Die Achterdecks, wo die Schiffsingenieure, Maschinisten und Seeleute ihre Quartiere hatten, beherbergten fünfunddreißig Offiziere und Mannschaften der Royal Navy und außerdem noch einige fünfzig Überlebende von drei torpedierten Schiffen. An und für sich wäre die Überfüllung zu ertragen gewesen, aber der Sturm hatte das Schiff derart herumgeworfen, daß jeder, der nicht in einer Hängematte lag oder in seiner Koje angeschnallt war, ständig in Gefahr geschwebt hatte, sich die Knochen zu brechen. Was das Brückendeck mittschiffs anging, so waren die Navigationsoffiziere und Stewards nicht besser daran, denn in ihren Räumen lagen Bett an Bett verletzte Schiffbrüchige, die in der Krankenstation keinen Platz mehr gefunden hatten.
    Erschwerend wirkte sich die Tatsache aus, daß die Schiffbrüchigen sich weigerten, in die geräumigeren und bequemeren Tanks unter Deck umzusiedeln, wo das Rollen und Stampfen des Schiffes sich weniger heftig auswirkte. Larmer konnte es ihnen nicht verdenken. Aber bei Dickson und den beiden Frauen lag der Fall anders; diese waren nicht in der Lage, Meinungen dieser oder jener Art zu haben, und so hatte der Arzt, dessen Gesichtspunkte mehr medizinischer als psychologischer Natur waren, für sie entschieden. Der Arzt war ein schwieriger Mann, der sich nicht herumkommandieren ließ, besonders dann nicht, wenn die Befehle der Wohlfahrt seiner Patienten entgegenliefen. Das einzige Mittel, das ihn manchmal zum Gehorsam zu zwingen vermochte, waren die paar Gramm zusätzlicher Goldlitze an Wallis’ Ärmeln.
    Das Schiff bohrte seinen Bug in einen neuen Wellenberg, und das gesamte Vorschiff verschwand unter einer massiven Wasserwand, die schäumend über das Wetterdeck hin donnerte, an den Stützpfeilern des Laufgangs in Gischtwolken explodierte, bis sie ihre Energie an Lüftungshauben, Rohrleitungen und anderen Deckinstallationen ausgetobt hatte, beinahe sanft den Fuß des Brückendecks umspülte und zu beiden Seiten über Bord ging. Larmer beobachtete es und empfand ein wenig Mitleid für den Kapitänleutnant. Wallis mußte sich nicht nur mit einem Menschenfresser namens Radford
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher