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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres
Autoren: James White
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gedämpfte Klappern und Schlagen lockerer Platten und Spanten, das Gurgeln und Schwappen des Wassers in Bilgen und Lagerräumen, wo noch Luft eingeschlossen war, und das leise Seufzen der langsamen Unterwasserwellen am Schiffsrumpf. Es war so still, daß sie das Atmen der beiden Mädchen von der anderen Seite des Raumes hören konnten. Ihr eigener Atem hing wie Nebel zwischen ihnen und gab dem kleinen Lichtkegel der Notlaterne scharfe Konturen.
    »Destillation ist die einfachste Methode«, sagte der Arzt plötzlich, »aber sie hat den Nachteil, daß sie Hitze erfordert, was eine Sauerstoffverschwendung bedeuten würde. Aber wir wissen, daß hier unten mehrere große Wasserfässer für die Arbeiter waren, denn diese Tanks sind nicht mit dem Wasserleitungssystem verbunden, und die Leute brauchten Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen, als die Messe oben überfüllt wurde. Wir wissen nicht, wieviel übrig ist, aber der Rest läßt sich strecken, auch mit Seewasser. Ein geringer Salzgehalt schadet nicht.«
    Wallis nickte zufrieden. »Gut. Beginnen wir mit einer genauen Inventur all dessen, was an brauchbarem Material hier unten lagert. Doktor Radford und ich arbeiten zusammen, damit wir mit einer Laterne auskommen und Batteriestrom sparen. Sie, Mr. Dickson, behalten inzwischen die Patientinnen im Auge. Ich werde Ihnen etwas geben, damit Sie uns im Falle irgendwelcher Vorkommnisse Klopfzeichen geben können. Einverstanden?«
    Dickson nickte, und so ließen sie ihn ein paar Minuten später mit einer Taschenlampe und einem schweren Schraubenschlüssel ausgerüstet allein zurück.
    Sie fingen in Tank eins an und hatten die Absicht, sich von hier aus nach achtern durchzuarbeiten. Doch die unzureichende Beleuchtung und die vom Sturm durcheinandergeworfene Ladung machten ihre Arbeit mühseliger, als sie erwartet hatten. Mehrmals stießen sie auf Kisten und andere Behälter, die nicht untersucht werden konnten, ohne Berge darüberliegenden Materials abzutragen. Um nicht schon beim Beginn der Bestandsaufnahme eine Menge Zeit zu verlieren, notierten sie sich die Größen, Formen und Standorte dieser Behälter, damit sie später Dickson nach ihrem Inhalt fragen konnten.
    Als Erster Offizier der »Gulf Trader« hatte Dickson die Ladelisten eingesehen und die Stauarbeiten überwacht. Als sie ihn jedoch befragten, erklärte er, im Moment könne er sich nicht an Einzelheiten erinnern und fügte hinzu, daß daran wahrscheinlich seine Kopfverletzung schuld sei. Der Arzt war mit dieser Diagnose nicht einverstanden und wies ernst darauf hin, daß der fragliche Kopf in guter physischer Verfassung sei und daß die Ursache eher bei einer angeborenen Form von Idiotie zu vermuten sei. Radford war im Begriff, weiter ins Detail zu gehen, als Wallis eingriff und das Gespräch wieder auf die Ladung brachte.
    »Was ich nicht verstehen kann«, sagte Radford, seine Inventarliste zur Hand nehmend, »ist, warum sie uns so viele Glühbirnen mitgegeben haben. Es müssen Hunderte von den Dingern dasein!«
    »Sie müssen verstehen«, sagte Wallis, »daß es in Kriegszeiten manchmal einfacher ist, große Quantitäten zu verfrachten als kleine und daß eine Menge von sagen wir zwei Dutzend Glühbirnen unter dem erlaubten Minimum liegt.«
    Kurz darauf aßen sie eine kalte Mahlzeit, versuchten es den Patientinnen bequem zu machen und trafen ihre Vorbereitungen zum Schlafen. Alle verfügbaren Decken waren Dickson und den Mädchen zugeteilt worden, damit sie warm liegen konnten. Der Arzt und Wallis mußten zusammen unter einem Haufen Säcken schlafen. Sie lagen Rücken an Rücken mit angezogenen Beinen, völlig von den Säcken bedeckt, und holten ihre Atemluft durch zwei Rohrstücke, die dem Haufen entragten. So konnten sie ihre Körperwärme speichern und sich zusätzlich mit ihrer eigenen ausgeatmeten Luft wärmen.
    Aber die Sackleinwand war rauh und stank nach Öl, und die trotz der Luftröhren stickige Atemluft unter den Säcken verursachte Wallis Kopfschmerzen. Wenn sich der Arzt bewegte, entweder, weil einer seiner Patienten der Fürsorge bedurfte, oder weil er ein unruhiger Schläfer war, gelangte eisiger Luftzug in den winzigen Kokon aus Wärme, den Wallis sich zu schaffen versuchte, und in solchen Momenten fühlte er sich zu einem Mord fähig. Bewegte sich der Arzt nicht, lag Wallis nicht selten fröstelnd und elend wach und ärgerte sich, daß Radford schlafen konnte und er nicht.
    In Augenblicken wie diesen pflegte er in die Schwärze seines Nests zu
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