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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lautlos schob sich das Tor zur Seite. Die beiden schwarzen Personenwagen passierten das Pförtnerhäuschen und glitten durch den Park. Es war ein herrlicher Tag. Wie Gold lag der Sonnenglanz auf den Blättern und Zweigen und troff an den Stämmen herab. Es roch nach Erde und frisch geschnittenem Gras. Als das weiße, schloßartige Gebäude zwischen den Bäumen und Buschgruppen auftauchte, blendete es die Augen. Rosenbeete faßten die Auffahrt ein.
    Gisela Peltzner starrte durch die Scheiben des ersten Wagens auf die dorischen Säulen, die das Vordach über dem Eingang stützten. Zwei Männer in weißen Ärztekitteln standen, die Hände in den Taschen, seitlich des Portals im Schatten und schienen auf die beiden langsam durch den Park heranrollenden Wagen zu warten.
    Im zweiten Wagen beugte sich Anna Fellgrub zu dem Chauffeur vor. »Wir bleiben sitzen und warten, bis alles vorüber ist«, sagte sie so leise, als könne man es im ersten Wagen hören. »Es ist alles so schrecklich … ich mag gar nicht hinsehen.«
    Anna Fellgrub lehnte sich zurück und sah hinüber zu dem großen, weißen Haus. In ihren Augen lag durchaus keine Angst, eher eine gespannte Erwartung, die auf Erlösung harrt, und unterdrückter Triumph, ein sattes Gefühl des Erreichten.
    Der erste Wagen hielt. Die beiden Männer in den weißen Kitteln traten aus dem Schatten hervor und öffneten die hintere Tür. Ein bleiches, starres Mädchengesicht, umrahmt von einer Fülle blonder Locken, hob sich ihnen entgegen. Die blauen Augen waren unnatürlich weit und leblos, von einem Glanz, wie ihn künstliche Augen haben, die Augen von Schaukelpferden und Teddybären. Keine persönliche Regung war in ihnen …
    »Oberarzt Dr. Pade«, stellte sich der eine der Ärzte vor. »Darf ich bitten, gnädiges Fräulein …«
    Er reichte Gisela Peltzner beide Hände, die sie mechanisch ergriff, und zog sie sanft vom Sitz. Wie eine Puppe ließ sie sich dann von ihm hinstellen. Das blonde Haar leuchtete auf in der strahlenden Sonne, es zerfloß fast.
    Die anderen Wagentüren klappten. Giselas Onkel, Ewald Peltzner, ihr Vetter Heinrich Fellgrub, ein Dr. Vrobel und ein Dr. Adenkoven stiegen aus. Vrobel war Facharzt für Nervenleiden, Adenkoven Anwalt.
    Der zweite Wagen hatte inzwischen ebenfalls gehalten und stand etwas abseits im Schatten einer riesigen Kastanie. Aber die Türen blieben geschlossen. Nur an den Scheiben drückten sich einige Gesichter ab. Neugierige Augen, die auf den blonden Kopf inmitten der Männer starrten.
    Was wird sie tun? Wird sie wieder schreien? Wird sie um sich schlagen? Wird sie sich wieder an die Ärzte klammern und rufen: »Ich bin doch nicht krank! Ich bin doch nicht verrückt! Ich bin so normal wie Sie … sehen Sie das denn nicht!« Oder wird sie gar nichts tun und einfach mitgehen, so wie sie auch in den Wagen gestiegen ist, mit leeren Augen, willenlos, mit dem seelenlosen Gehorsam eines Automaten? Was wird sie tun?
    Oberarzt Dr. Pade sah über die kleine Versammlung.
    »Alles Verwandte?«
    »Nein, nur mein Neffe und ich. Ich bin der Onkel Fräulein Peltzners.« Ewald Peltzner knöpfte den Rock seines hellen Seidenanzuges über seinem fülligen Leib zu. Er schwitzte schrecklich, zumal er sich mit drei Whiskys Mut für diese Fahrt angetrunken hatte. »Dr. Vrobel …«
    »Ach, Sie sind Herr Vrobel!« Dr. Pade gab dem Arzt die Hand. »Ich freue mich, Herr Kollege, Sie kennenzulernen. Bitte, kommen Sie ins Haus. Der Herr Professor steht sofort zu Ihrer Verfügung.« Daß da noch Dr. Adenkoven darauf wartete, vorgestellt zu werden, übersah er.
    Während die Herren in den Schatten des Vorbaues traten, wandte sich Dr. Pade wieder Gisela Peltzner zu. Dr. Ebert, der Stationsarzt, der sie von heute an betreuen sollte, stand neben ihr und sah sie kritisch und stumm an. Ihr Blick ging an ihm vorbei, als sehe sie ihn gar nicht. Er tastete sich an der weißen Hauswand empor, über die blinkenden Fenster, die alle geschlossen waren, irrte zurück zum Eingang und blieb an Oberarzt Dr. Pade haften, der jetzt auf sie zutrat.
    »Sie hatten eine gute Fahrt?« fragte er freundlich.
    »Ja.« Ihre Stimme war hell und klar. Nichts Gebrochenes lag in ihr. Dr. Pade winkelte den Arm an.
    »Darf ich bitten, gnädiges Fräulein. Sie sind sicherlich müde. Ich werde sofort eine Erfrischung kommen lassen. Im Haus ist es kühl … wir haben eine fabelhaft arbeitende Klimaanlage.«
    Mechanisch wie alles, was sie in der letzten Stunde getan hatte, hakte sie sich bei Dr.
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