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Gefährliches Talent: Kriminalroman

Gefährliches Talent: Kriminalroman

Titel: Gefährliches Talent: Kriminalroman
Autoren: Aaron Elkins , Charlotte Elkins
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Höhe, nur dreißig Zentimeter voneinander entfernt. »Also, wie sehe ich aus? Ganz ehrlich.«
    »Chris, der Unfall ist erst drei Tage her. Du kannst nicht erwarten …«
    Chris stöhnte theatralisch. »Oh Gott, du musst gar nichts sagen! Ich sehe furchtbar aus, was? Was soll ich nur machen? Craig kommt morgen. Vielleicht sollte ich absagen, mir irgendeine Ausrede einfallen lassen. Wundbrand oder so was.«
    »Sei nicht albern. Er hat dich doch kurz nach dem Unfall schon gesehen und das hat ihn auch nicht abgeschreckt, oder? Und jetzt siehst du viel besser aus. Viel, viel besser.«
    Chris sah sie zweifelnd an. »Wirklich?«
    »Natürlich. Deine Nase ist abgeschwollen, deine Haare sehen toll …«
    »Aber ich sehe immer noch wie ein Waschbär aus:«
    »Chris, du siehst
überhaupt nicht
wie ein Waschbär aus! Glaub mir, ich würde dich nicht anlügen«
    Ein Hoffnungsschimmer. »Ehrlich nicht?«
    »Nein, überhaupt nicht.« Aber dann konnte sie nicht anders. »Waschbären haben schwarze Ringe um die Augen, deine sind mittlerweile grün.«
    Chris sah sie einen Moment böse an, aber dann brachen beide in Gelächter aus.
    »Deine Augenringe sind jetzt viel attraktiver«, brachte Alix heraus, bevor sie wieder lachen mussten.
    »Ach, hör auf«, sagte Chris, die immer noch lachte und sich die Tränen wegwischte. »Ich muss jetzt arbeiten.«
    Alix stand auf. »Bis später dann. Um sechs im Salmon Cooker?«
    »Gut, dann können wir meine neuste Anschaffung feiern. Vor dir sitzt die stolze Besitzerin von
Felsen auf der Ghost Ranch

    Baff ließ sich Alix zurück auf ihren Stuhl fallen. »Du hast es tatsächlich
gekauft

    Chris lächelte zufrieden. »Bis heute konnte ich die Sache noch abblasen. Also habe ich Liz’ Nachlassverwalter angerufen und ihm gesagt, dass ich vom Kauf zurücktrete, da es eine Fälschung ist und ich ganz sicher keine drei Millionen dafür hinlegen würde. Dann haben wir uns eine Weile unterhalten und schließlich hat er gefragt: ›Wie viel würden Sie denn dafür hinlegen?‹ Und ich: ›Wie wär’s mit dreitausend?‹ Und er hat gesagt: ›Abgemacht!‹« Sie schmunzelte. »Na ja, wer könnte schon einem Preisnachlass von neunundneunzig Komma neun Prozent widerstehen? Zumal mir das Bild wirklich gefällt. Also sobald die Polizei es freigibt, gehört es mir. Ein tolles Andenken.«
    »Andenken? An dein Nahtoderlebnis in der Wildnis von New Mexico?«
    »An ein aufregendes Abenteuer«, sagte sie mit einem breiten Lächeln, »und den Beginn einer wunderbaren Freundschaft.«

    Alix ging nicht sofort nach Hause, sondern lief hinunter zur First Avenue und nahm dort die Buslinie 24 zum East Marginal WaySouth, mitten in Seattles rauem Industriegebiet, ein paar Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Dann zog sie einen ausgedruckten Google-Straßenplan zurate und lief zwei Block Richtung Osten, vorbei an Wellblechschuppen und alten Backsteinlagerhäusern, bis sie 51 South Hinds Street fand, einen schäbigen braunen Ziegelbau, der sich nicht groß von den Gebäuden ringsum unterschied. Es gab nur einen Eingang von der Straße her, eine pockennarbige Stahltür mit abblätterndem gelben Anstrich und einer verblichenen Aufschrift in einstmals blauen Lettern: Handelsgesellschaft Venezia.
    Hinter der Tür befand sich ein kurzer Gang, Wände und Boden aus ungestrichenem Beton. Bis auf einen schmuddeligen grauen Läufer, zwei nackte Glühbirnen an der Decke und ein paar sich aufrollende, fliegendreckfleckige Bescheinigungen der Bauaufsicht, mit Klebeband an der Wand befestigt, gab es hier nichts. Von dem kahlen Beton ging ein kalter, deprimierender Geruch aus, der ihr Schauer über den Rücken jagte, und sie überlegte, ob es zu spät war umzukehren. Sie stand einen Moment lang unentschlossen da, drückte dann ihr Rückgrat durch und ging weiter.
    Am Ende des Flurs befanden sich zwei Holztüren mit Milchglasscheiben und neuen selbstklebenden Schildern. Auf dem einen stand »Verkaufsraum«, auf dem anderen »Büros«. Sie nahm die Letztere und kam in eine Art Großraumbüro mit einem halben Dutzend kleiner Kabinen mit Glastrennwänden und hinten einer größeren für den Chef. Die kleinen waren alle leer – nicht verwunderlich, denn es war Mittag –, aber ob Mittag oder nicht, der Chef war da und arbeitete konzentriert an einem hölzernen Schreibtisch.
    Ihr wurde ganz eng ums Herz. Er sah so
alt
aus! Er war siebzig, das wusste sie natürlich, aber sie hatte sich von seiner Stimme am Telefon täuschen lassen, die
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