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Die Schuld wird nie vergehen

Die Schuld wird nie vergehen

Titel: Die Schuld wird nie vergehen
Autoren: Phillip Margolin
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PROLOG
    Lost Lake, Kalifornien - 1985
    Deputy Sheriff Aaron Harney parkte seinen Wagen auf dem Seitenstreifen neben der Straße und rollte das Fenster der Fahrerseite herunter. Nach der drückenden Hitze des Tages tat die saubere, kühle Bergluft gut. Er zündete sich eine Zigarette an und sah dem Rauch nach, der sich zu den diamantenen Sternen empor kräuselte, die über dem Lost Lake glitzerten. Was wollte man mehr vom Leben erwarten?
    Harney war ein Junge aus dem Dorf, der während seines Militärdienstes ein wenig von der Welt gesehen hatte. Dabei war ihm klargeworden, dass er nirgendwo anders als in Lost Lake leben wollte. Hier konnte er fischen und jagen, und außerdem lebte Sally Ann Ryder hier, sein Schwärm aus Highschool-Tagen. Was konnte einem das Leben mehr bieten als einen Job an der frischen Luft, einen Feierabend mit einem kühlen Bier und dazu die Gesellschaft der Frau seiner Träume?
    Dabei hatte Harney seine Karriere keineswegs genau geplant. In der Armee hatte er als Militärpolizist gedient, und der Sheriff hatte ihn auf der Stelle eingestellt. Harney hegte keinerlei politischen Ehrgeiz, sondern tat, ohne zu murren, was man ihm befahl. In den exklusiven Sommerhäusern, die das Ufer des Sees säumten, war immer wieder eingebrochen worden. Deshalb hatte Sheriff Basehart ihn zur Patrouille dort eingeteilt. Alle waren sich einig, dass hinter diesen Akten von Vandalismus Einheimische steckten, die wütend auf die fetten Bonzen waren, die es sich den Sommer über am See gutgehen ließen und beim ersten Anzeichen von schlechtem Wetter zurück nach San Francisco flüchteten. Harney hatte sogar einen Verdacht, welche Jugendlichen die Panoramafenster in den Häusern von Fremont und McHenry eingeschlagen hatten. Allerdings bezweifelte er stark, dass diese Halbstarken sich heute Nacht wieder blicken lassen würden. Der Sheriff wollte es sich jedoch auf keinen Fall mit seinen einflussreichsten Gönnern verderben. Und Harney hatte nicht das Geringste dagegen, an einem so wunderschönen Sommerabend am See herumzuhängen.
    Von seinem Standort aus konnte der Deputy den schwarzen, flachen Umriss des modernen Blockhauses am anderen Ufer sehen, das dem Kongressabgeordneten Eric Glass gehörte. Harney war dem Abgeordneten bei dessen Wahlkampftour als Sicherheitsbeamter zugeteilt gewesen. Das war vielleicht ein Haus! Auf der Rückseite fiel der Rasen sanft zum Steg ab, wo das Rennboot des Politikers lag. Im Dunkeln sah man es zwar nicht, aber Harney erinnerte sich sehr gut an das Boot und auch an den schmalen Pfad, der durch ein Wäldchen zum Tennisplatz führte. Das musste man sich vorstellen: ein eigener Tennisplatz! Harney fragte sich, wie viel das Haus wohl gekostet haben mochte. Bestimmt einen Haufen mehr, als er sich mit dem Gehalt eines Polizisten leisten konnte.
    Ein Schrei gellte durch die Nacht. Harney fuhr wie elektrisiert hoch und drückte seine Zigarette aus. Die klare Bergluft verzerrte zwar die Geräusche, aber er war sicher, dass der Schrei aus dem Haus des Abgeordneten gekommen war. Er wendete und gab Vollgas.
    Er brauchte fünf Minuten, um den See zu umrunden, und auf dieser kurzen Fahrt lief Harneys Phantasie auf Hochtouren. Die übliche Polizeiarbeit in Lost Lake bestand vor allem darin, Betrunkene im Timber Topper zur Räson zu bringen, gelegentlich einen Fall von Hausfriedensbruch zu regeln und jugendlichen Rasern Strafzettel zu verpassen. Mit einem derartig markerschütternden Schrei mitten in der Nacht hatte Harney es noch nie zu tun bekommen
    Von der Straße führte ein Feldweg zum Haus. Harney schaltete seine Scheinwerfer aus, als er darauf einbog. Er hatte es nun nicht mehr eilig, die Quelle dieses Schreis aufzuspüren. Schließlich konnte er den Moment nicht länger hinauszögern. Der Deputy zog seine Waffe aus dem Futteral, stieg aus und blieb lauschend im Dunkeln stehen. Eine Eule schrie, und eine Windbö vom See ließ die Blätter rascheln. Irgendwo in der Ferne hörte er den Außenbordmotor eines Bootes.
    Langsam schlich Harney zwischen den Bäumen hindurch, welche die Zufahrt säumten, und erreichte schließlich den Rasen vor dem Haus. Nervös sah er sich um. Er erwartete, dass jeden Augenblick jemand aus dem dunklen Wald sprang. Zwar hatte er über Funk Verstärkung angefordert, doch Lost Lake war klein, deshalb würde er eine Weile auf sich allein gestellt bleiben. Der Deputy holte tief Luft und rannte geduckt über den Rasen. Er presste sich dicht an die Hauswand und schob sich
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