Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
logischen Art fing sie mit möglichen Narben an, obwohl unser heutiger Barrister die wohl auch gesehen hätte. Ich meine, wenn Mike keinen Blinddarm mehr hatte, würde dieser Kerl ihn sich auch herausnehmen lassen. Immer mal angenommen, daß er so gründlich war. Als sie das Stichwort ›Narben‹ sagte, klingelte nichts bei mir, das muß ich leider zugeben. Also machten wir uns über die anderen Stichworte her. Allergien, Gewohnheiten, gemeinsame Ausflüge. Sind Sie noch dran?«
    »Gott, ja!«
    »Dann kam sie auf ein Stichwort, das lächerlich wirkte, nämlich ›Kleider‹. Man könnte wohl kaum sagen, dieser Kerl ist nicht Mike, weil er die alte Tweedjacke nicht mehr hat, die Mike so liebte. Nicht, daß er eine gehabt hätte. Ich meine, ich kann mich an keine Tweedjacke erinnern. Ich sagte, daß ich mich an überhaupt kein Kleidungsstück erinnern kann. Wir trugen fast immer weiße Sachen, sogar weiße Schuhe. Und da fiel es mir ein. Schuhe. Weiße Schuhe. Ich hatte nur ein Paar – damals hatten wir kaum Geld, und ich hatte riesige Löcher in den Sohlen. Es regnete, und die Löcher in den Schuhen wirkten wie eine Pumpe. Meine Füße und mein einziges Paar weißer Schuhe waren naß, und ich fragte Mike, der frei hatte, ob er mir seine leihen könnte.
    Unsere Füße waren etwa gleich groß, und selbst wenn Mikes Schuhe nicht genau paßten, waren sie zumindest trocken. Er sagte, ich könnte sie haben, aber ich würde Probleme haben, darin zu gehen. Ich fragte ihn, warum. ›Weil ein Absatz höher ist als der andere‹ sagte er, ›du hast das, wie die meisten Menschen wahrscheinlich nie bemerkt. Er ist nur gut einen Zentimeter höher, aber ein Mann mit gleichlangen Beinen fühlt sich in diesen Schuhen, als ginge er mit einem Fuß auf dem Randstein und mit dem anderen auf der Straße.‹ Ich habe sie anprobiert, sie waren außerdem zu eng, und deshalb habe ich sie nicht ausgeliehen. Sind Sie noch dran? Grunzen Sie doch bitte ab und an, ja? Man kommt ganz durcheinander, wenn am anderen Ende alles still ist. Ein Gefühl, als würde man in ein Mikro sprechen. So ist es besser. Also, mit Orthopädie hatte ich seit der Hochschule nicht mehr viel zu tun, aber ich nehme an, daß ein Mann, der früher solch einen Spezialschuh getragen hat, dies auch heute noch tut. Das müßten Sie überprüfen. Viel wichtiger ist aber: Mike hatte eine Narbe, auch wenn ich sie nie gesehen habe. Wenn er aber operiert worden ist, dann gibt es darüber auch Unterlagen – kein Problem. Sie sollten das alles doch noch einmal mit einem Orthopäden besprechen und mit der Polizei.«
    Es entstand eine kurze Pause. Dann fuhr Messenger fort: »Mike hat mir damals nichts von seiner Narbe erzählt. Ich hätte mich gewiß rascher daran erinnert, wenn er es getan hätte. Ein paar Monate später ging Mike zurück ins Hospital, obwohl er keinen Dienst hatte. Natürlich fragte ich ihn weshalb. Wir waren nie dort, wenn wir nicht mußten. Er sagte mir, er wollte bei einer Spondylodese zuschauen. Er konnte nicht die ganze Zeit dabei sein. Es ist eine lange Operation, sie dauert bis zu acht Stunden, und ist vergleichsweise neu, weil es bis vor kurzem noch nicht die passende Anästhesie dafür gab. Als er zurückkam, fragte ich ihn über die Operation aus. Er sagte, sie sei nicht so gut gelungen wie bei ihm. ›Meine Narbe ist dünn wie ein Bleistiftstrich‹, sagte er. Er erzählte mir von seinem Bandscheibenvorfall und seiner Spondylodese. Die Operation war erfolgreich verlaufen, aber danach hatte er immer noch diesen schrecklichen Schmerz im Lendenwirbelbereich.
    Ein alter praktischer Arzt in Bangor hat ihn schließlich geheilt. Ich will damit nicht sagen, daß die Operation unnötig gewesen wäre – der Nerv war eingeklemmt, die Muskulatur im einen Bein schrumpfte bereits –, aber dieser alte Bursche hat ihn von dem Schmerz befreit. Er fand nämlich heraus, daß Mikes Beine nicht gleich lang waren. Dadurch entstand eine Schaukelbewegung im Becken. Mike bekam einen dickeren Absatz verpaßt, und damit hatte sich die Sache. Jetzt sind Sie dran, meine Dame. Ich weiß nicht, wie Sie Ihren Dr. Michael Barrister dazu kriegen, sich auszuziehen, aber wenn Sie es tun, dann denken Sie daran, die Narbe ist nicht deutlich sichtbar. Ich habe soviel für Sie herausgefunden: Sie verläuft im Lendenwirbelbereich und ist sechs bis acht Zentimeter lang. An einer Stelle macht sie eine kleine Kurve. Dort wurde während der Operation die Haut geklammert. Aber vielleicht stellen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher