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0586 - In den Fängen des Wolfes

0586 - In den Fängen des Wolfes

Titel: 0586 - In den Fängen des Wolfes
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Clio wagte kaum zu atmen.
    Erschrocken starrte sie den Wolf an. Seine Fänge schimmerten hell im blauen Lichtschein, sein mordlüsternes Hecheln drang überlaut an ihre Ohren, denn er stand jetzt nur noch wenige Meter von Clio entfernt - von ihrem Bett, besser gesagt. Ein kraftvoller, weiter Sprung, und er würde sie erreichen!
    Langsam rückte sie zur anderen Seite des breiten alten Holzbettes. Es stand direkt an der Wand, und somit befand es sich jetzt auch direkt an der unheimlichen, unnatürlichen Toröffnung.
    Die Zimmertür gegenüber schien meilenweit entfernt…
    Seltsamerweise drang keine Kälte durch das Tor - oder was immer es war. Da draußen, im wallenden Nebel, schien es ebenso warm zu sein wie hier im Zimmer.
    Clio verstand nicht, wieso sie sich jetzt darüber Gedanken machte. Oder vielmehr machen konnte angesichts des unbegreiflichen Geschehens. Und des Wolfes, der sie unverwandt anstarrte.
    Sie mußte weg, die Tür erreichen und sie zwischen sich und dieses Ungeheuer bringen.
    Auch der Mann war ihr unheimlich, auch er starrte sie an.
    Ein langer, dunkler Mantel verbarg fast alles von seiner Gestalt, und der steife, hohe Hut überschattete einen Teil seines Gesichts.
    So etwa hatte Clio, als sie noch ein Kind gewesen war, sich einen Totengräber vorgestellt, denn solche düsteren Gestalten waren immer vorgekommen in den alten Gruselgeschichten, die Tante Elenor stets erzählt hatte. Die fast hundertjährige, runzlige Frau mit dem spärlichen, weißen Haar war eigentlich gar nicht wirklich Clios Tante gewesen, sie war nur so genannt worden und hatte auch immer gelacht, wenn sie Clios Gänsehaut bemerkte und sah, wie das Kind förmlich in sich zusammenkroch, wenn sie ihre Geschichten erzählte.
    Damals hatte Clio oft Alpträume gehabt, aber die hatten sie nicht mehr heimgesucht, nachdem Tante Elenor mit knapp über hundert Lebensjahren schließlich dahingeschieden war - ›endlich!‹, wie Clios Vater gallenbitter bemerkte, ehe er drei Kreuze über ihrem Sarg geschlagen hatte.
    Auch Wölfe waren in Tante Elenors Gruselmärchen vorgekommen. Wölfe, die Menschen hetzten und auch ermordeten. Und Wölfe, die Menschengestalt annehmen konnten und umgekehrt.
    Aber das hier war kein altes Schauermärchen. Das hier war Wirklichkeit!
    Langsam, ganz vorsichtig, um den Mann und den Wolf nicht zu reizen durch eine unbedachte Bewegung, kroch Clio aus ihrem Bett.
    Dann aber, mit einem weiten Sprung, war sie an der Tür, riß sie auch auf…
    Doch im gleichen Moment schnellte sich der Wolf über das Bett.
    Er sprang aus dem Stand durch die Luft, so als gäbe es für ihn die Schwerkraft gar nicht. Es war, als befände sich Clio immer noch in ihrem Alptraum!
    Sie duckte sich, warf sich halb zur Seite, und der Wolf verfehlte sie um Haaresbreite, er bekam aber mit den Zähnen noch einen Teil ihres Nachthemdes zu fassen.
    Stoff zerriß.
    Der Wolf flog in den Korridor, und Clio wurde mitgezogen, ehe sich der große Stoffetzen endgültig von ihr löste.
    Hinter ihr knallte die Tür zu.
    Von einem Moment zum anderen war sie mit dem Wolf im Korridor allein. In einem noch viel kleineren Raum, als es ihr Schlafzimmer war!
    Das riesige Tier sprang wieder auf, wirbelte herum, und Clio warf sich zurück, gegen die Tür, und…
    Doch da war keine Tür mehr!
    Nur noch eine Öffnung, hinter der fahler, blauer Nebel durch eine unheimliche Nacht wallte!
    Ihr Schlafzimmer… es war verschwunden!
    Nur der schreckliche Mann mit der Laterne war noch da, der Totengräber, wie sie ihn im stillen nannte. Er stand an genau dem Platz, wo er hätte sein müssen, wenn es das Schlafzimmer noch gäbe!
    Leises Knurren ließ Clio zusammenfahren, und sie wandte den Kopf.
    Der Wolf tappte auf leisen Pfoten heran, Schritt für Schritt. Gerade mal zwei Meter trennten ihn noch von Clio.
    Da floh sie mit einem Aufschrei in die wallenden Nebel!
    Ins dunkle Nichts!
    Und der Wolf folgte ihr…
    ***
    »Was, um Himmels willen, ist denn da los?« E.T., bürgerlichen Namens Etienne Thorneaux, streckte den Arm aus und tastete nach dem Lichtschalter. »Habt ihr ’nen Poltergeist im Haus, dem ihr hier Unterschlupf gewährt habt?«
    »Vielleicht hat Clio 'nen Liebhaber 'rausgeschmissen«, vermutete Mari träge, und sie kuschelte sich wieder an Thorneaux.
    »Dem Poltern nach muß das schon 'ne halbe Kompanie Liebhaber sein.« E.T. schwang sich aus dem Bett, und wieder rumpelte es draußen auf dem Korridor.
    Und dann folgte auch noch zorniges Knurren und ein schriller
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