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Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)

Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)

Titel: Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
Autoren: Gail Martin
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KAPITEL EINS
    G eht vorsichtig, mein Prinz!«, warnte das Gespenst. »Ihr seid heute Nacht in großer Gefahr!«
    Draußen vor den zweiflügligen Fenstern konnte Martris Drayke das lärmende Treiben der Festtagsmassen hören. Fackellicht flackerte hinter dem Glas, und kostümierte Gestalten tanzten, unter Singen und Buhrufen, am Schlossturm vorbei. Gekleidet in die vier Erscheinungen der Einen Göttin, Margolans heiliger Lady, torkelten die Feiernden hinter einer Puppe der Alten Vettel her, weit mehr darauf bedacht, an diesem Fest der Verstorbenen ihre Gier nach Alkohol zu befriedigen als die Toten zu ehren.
    »Durch wen?« Tris widmete seine Aufmerksamkeit wieder seinem gespenstischen Besucher. Die Geister von Schloss Shekerishet waren so zahlreich, dass er sich nicht daran erinnern konnte, diesen speziellen schon einmal gesehen zu haben: einen Mann mit schmalem Gesicht und schweren Augenlidern, dessen altmodische Kleidung verriet, dass er dem Hof ein Jahrhundert zuvor angehört hatte.
    Das Gespenst flackerte und versuchte mehr zu sagen, doch kein Laut kam. Tris beugte sich vor. Heute eher noch als sonst hätte die Erscheinung eigentlich leicht zu sehen sein sollen, denn an Spuken, wie der Feiertag allgemein genannt wurde, gingen die Geister offen um, und auch Zweifler konnten sich nicht weigern zu sehen. Die Schlossgeister waren seit seiner Kindheit Tris’ Freunde gewesen, lange bevor er begriffen hatte, dass seine körperlosen Kameraden von denen um ihn herum nicht so leicht gesehen werden konnten. »Geister … vertrieben«, gelang es der schwindenden Erscheinung noch zu flüstern, »hütet Euch vor … dem Seelenfänger.« Tris verstand die letzten Worte nur noch mit äußerster Mühe, denn der Wiedergänger löste sich in nichts auf. Verwirrt hockte er sich auf die Fersen, wobei sein Schwert klirrend gegen den harten Steinboden schlug. Als es an der Tür klopfte, verlor er vor Schreck fast das Gleichgewicht.
    »Was machst du da drin, oder bist du etwa nicht allein?«, neckte ihn Ban Soterius durch die Tür. Der Riegel hob sich, und der stämmige Hauptmann der Wache trat ein. Nichts im Auftreten des jungen Mannes passte zu dem starken Geruch nach Bier in seinem Atem, außer vielleicht seine zerzausten Haare und die leichten Knitterfalten in seiner eleganten Uniformjacke.
    »Jetzt bin ich allein«, erwiderte Tris mit einem Blick hinter sich auf die Stelle, wo der Geist erschienen war.
    Soterius ließ seine Augen von Tris zu der leeren Wand wandern. »Ich sag’s ja immer, Tris«, meinte der Gardist, »du musst öfter raus! Mich persönlich lässt es kalt, wenn ich einmal mit einem Gespenst rede … es sei denn, es ist eine gut aussehende Maid mit einem Humpen Bier!«
    Tris rang sich ein Lächeln ab. »Hast du die Geister heute Abend gesehen?«
    Soterius dachte einen Augenblick nach. »Nicht so viele wie gewöhnlich, jetzt wo du es erwähnst, besonders nicht für Spuken.« Sein Gesicht erhellte sich. »Aber du weißt ja, wie sehr sie eine gute Geschichte mögen; wahrscheinlich sind sie unten und lauschen Carroways Erzählungen.« Er zog Tris am Ärmel. »Komm mit! Es gibt kein Gesetz, das besagt, dass Prinzen nicht auch Spaß haben dürfen, und während ich hier oben mit dir rumstehe, könnte ich unten in der großen Halle die Liebe meines Lebens verpassen!«
    Soterius’ gute Laute brachte Tris zum Kichern. Der Hauptmann der Wache war beliebt unter den adligen Töchtern bei Hofe. Sein hellbraunes Haar war kurz geschnitten, damit es unter einen Schlachthelm passte. Er war von mittlerem Körperbau, gebräunt und durchtrainiert vom ständigen Üben mit den Wachen. Alles an seiner Körperhaltung und seinem Auftreten zeugte von seinem militärischen Hintergrund, doch das schelmische Funkeln in seinen dunklen Augen machte seine Züge weicher und ließ ihm die heiratsfähigen Mädchen in Scharen zu Füßen liegen.
    Tris hingegen war es recht, wenn ebendiese jungen Mädchen und ihre ehrgeizigen Mütter von ihm selbst abgelenkt waren. Er war einen Kopf größer als Soterius und von hagerer, langgliederiger Statur. Schon oft war ihm gesagt worden, dass seine kantigen Züge und seine hohen Wangenknochen dem Besten beider seiner Eltern nachschlugen, aber die weißblonden Haare, die ihm bis auf die Schultern fielen, waren eindeutig von Königin Saraes Seite, ebenso wie die grünen Augen, die an die seiner Großmutter, der berühmten Hexe Bava K’aa, erinnerten. Es war eine Kombination, die die Damen des Hofs ausgesprochen
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