Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
»was wollen Sie wissen? Bevor ein guter Analytiker einen Patienten annimmt, muß er sicher sein, daß der Patient sich für eine Analyse eignet. Der Patient muß über eine ausreichende Intelligenz verfügen, eine bestimmte Art von Problemen haben und eine gewisse Aussicht, sich frei zu entwickeln. Ein Psychotiker, sogar bestimmte Arten von Neurotikern sind nicht die richtigen Patienten. Vor allem muß ein Patient tatsächlich eine Analyse wollen, er muß den Wunsch haben, daß man ihm hilft. Andererseits glauben die meisten Analytiker, denen ich begegnet bin, daß jedem intelligenten Menschen durch eine gute Analyse geholfen werden kann, einen größeren Spielraum zu bekommen. Wenn man mich fragt, ob ich einen Analytiker empfehlen kann, dann empfehle ich einen guten, weil ich weiß, daß ein guter Analytiker nur einen Patienten annimmt, der sich für eine Analyse eignet, und zwar für eine Analyse bei diesem speziellen Analytiker. Genauer kann ich mich zu einem Thema, über das ich bemerkenswert wenig weiß, nicht ausdrücken, und jeder Analytiker, der mir jetzt zuhörte, würde wahrscheinlich vor Entsetzen aufschreien und sagen, ich läge völlig falsch, was ich wahrscheinlich auch tue. Also was, um alles in der Welt, hat Janet Harrison angestellt?«
    »Sie ist ermordet worden.«
    Captain Stern ließ den Satz in der Luft hängen. Vom Campusgelände drang der Frühlingslärm herein. Ein paar Verbindungsstudenten verkauften Lose, mit denen man ein Auto gewinnen konnte. Ein Schatten, wahrscheinlich ein Student, wanderte vor der Glastür zu Kates Büro hin und her.
    »Ermordet?« sagte Kate. »Aber ich wußte nichts von ihr. War es ein Überfall auf der Straße?« Plötzlich schien das Mädchen wieder vor ihrem inneren Auge aufzutauchen; es saß an dem Platz, wo Captain Stern jetzt saß. Du bist gelehrt, sprich du mit ihm, Horatio.
    »Sie sagten, Miss Fansler, sie schien abzuwarten, was wohl passieren würde. Was haben Sie damit gemeint?«
    »Habe ich das gesagt? Ich weiß nicht, was ich damit gemeint habe. Eine Redensart.«
    »Gab es irgend etwas Persönliches zwischen Ihnen und Janet Harrison?«
    »Nein. Sie war eine Studentin.« Plötzlich fiel Kate wieder seine erste Frage ein: Was haben Sie gestern morgen gemacht? »Captain Stern, was hat das denn mit mir zu tun? Weil ich ihr den Namen eines Analytikers genannt habe und weil sie meine Studentin war, soll ich nun wissen, wer sie ermordet hat?«
    Captain Stern stand auf. »Verzeihen Sie mir, daß ich Ihren Studenten die Zeit stehle, Miss Fansler. Wenn ich Sie noch einmal sprechen muß, werde ich versuchen, es zu einer passenderen Stunde zu tun. Danke für Ihre Bereitschaft, auf meine Fragen zu antworten.« Er stockte einen Augenblick, als ordne er seine Sätze.
    »Janet Harrison wurde in der Praxis des Psychoanalytikers ermordet, zu dem Sie sie geschickt haben. Sein Name ist Emanuel Bauer. Sie war seit sieben Wochen seine Patientin. Sie wurde auf der Couch in seiner Praxis ermordet, auf der Couch, auf der, soviel ich weiß, die Patienten während der Therapiestunde liegen. Wir sind natürlich dringend daran interessiert, alles nur Mögliche über sie herauszubekommen. Scheinbar gibt es bemerkenswert wenige Informationen über sie. Für heute sage ich auf Wiedersehen, Miss Fansler.«
    Kate starrte ihm nach, als er hinausging und die Tür hinter sich schloß. Sie hatte seinen Instinkt für dramatische Wendungen unterschätzt, das war ziemlich klar. Ich habe dir eine Patientin geschickt, Emanuel. Was hatte sie ihm geschickt? Wo war er jetzt? Gewiß nahm die Polizei nicht an, daß er eine Patientin auf der eigenen Couch erdolcht hatte. Aber wie war dann der Mörder hereingekommen? War Emanuel da gewesen? Sie hob den Telefonhörer und wählte eine 9, um eine Amtsleitung zu bekommen. Wie war seine Nummer? Sie hatte keine Lust, im Telefonbuch nachzublättern. Beim Wählen der 411 für die Auskunft bemerkte sie überrascht, daß ihre Hand zitterte. »Könnten Sie mir bitte die Nummer von Mrs. Nicola Bauer, 879 Fifth Avenue, geben?« Emanuels Praxis war unter seinem Namen eingetragen, die private Nummer unter Nicolas, daran erinnerte sie sich. Das sollte verhindern, daß Patienten ihn zu Hause anriefen.
    »Danke, Miss.« Sie schrieb die Nummer nicht auf, sondern sagte sie sich immer wieder vor. Trafalgar 9. Aber sie hatte vergessen, vorher wieder die 9 für eine Amtsleitung zu wählen. Noch einmal von vorn, und zwar langsam. Emanuel, was habe ich dir da eingebrockt?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher