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Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis
Autoren: Amanda Cross
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Egozentrik, teils, weil sie nicht nur redete, sondern auch zuhörte, zuhörte und Anteil nahm. Kate dachte oft, daß Emanuel Nicki vor allem wegen ihrer Art zu reden geheiratet hatte. Ihre Worte überfluteten ihn in Wellen, nahmen alles auf, auch weniger tiefgründige Themen, und gaben ihm Auftrieb trotz der Schwere seiner eigenen Gedanken. Denn das einzige, was Emanuel munter werden ließ, war ein abstrakter Gedanke, und diese Anomalie gefiel seltsamerweise beiden. Wie die meisten Anhänger Freuds – und genaugenommen auch Freud selber – brauchte und suchte Emanuel die Gesellschaft intellektueller Frauen, mied aber jede feste Bindung an sie.
    »Und ganz gewiß«, fuhr Nicki fort, »sollten Patienten nicht das geringste über das persönliche Leben ihres Analytikers wissen, und selbst wenn die Polizei ihr Bestes tut – was sie mir versprochen hat – , werden die Zeitungen berichten, daß er eine Frau hat und zwei Kinder, ganz zu schweigen davon, daß er verdächtigt wird, eine Patientin auf der Couch erstochen zu haben, und ich kann mir nicht vorstellen, wie wir das jemals überstehen werden, selbst wenn Emanuel nicht ins Gefängnis kommt, auch wenn die zweifellos einen brillanten Psychoanalytiker im Gefängnis gut gebrauchen könnten, aber wenn Emanuel vorgehabt hätte, die Seele des Kriminellen zu studieren, dann wäre er von Anfang an vor Ort gewesen. Wenn er das getan hätte, wüßte er jetzt vielleicht auch, wer es war. Ich sage ihm ständig, es muß einer seiner Patienten gewesen sein, und er sagt dazu die ganze Zeit: ›Laß uns darüber nicht diskutieren, Nicolas und ich soll eigentlich mit niemandem darüber reden, außer vielleicht mit Mutter, die alles um sich scharen will, aber sie sieht dabei so furchtbar tapfer aus, aber Emanuel hat gesagt, mit dir darf ich reden, weil du den Mund halten kannst und ein gutes Ventil bist. Für mich, meine ich.‹
    »Ich hole dir einen Sherry«, sagte Kate.
    »Also, jetzt fang nicht an, ›vernünftig‹ zu werden, oder ich schreie. Pandora ist vernünftig mit den Jungen, und das bin ich auch, aber ich brauche jetzt jemanden, der sich zu mir setzt und mit mir jammert.«
    »Ich bin nicht ›vernünftig‹, sondern selbstsüchtig. Ich könnte nämlich selber einen Drink gebrauchen. In der Küche? Gut, bleib hier, ich hole ihn. Du legst dir inzwischen zurecht, wie du mir alles am besten erzählst, und zwar von Anfang an…«
    »Ich weiß, von Anfang bis Ende und dann halt! Wir brauchen bestimmt einen Red King, nicht wahr? Das entspricht ziemlich der Lage.«
    Während Kate in die Küche ging und mit den Getränken zurückkam, wobei sie erst durch den Türspalt lugte, um sicher zu sein, daß der Weg frei war (es wäre nicht gerade empfehlenswert, einem Patienten zu begegnen, mit einem Glas in jeder Hand), überlegte sie sich, was für Dinge sie Nicki entlocken müßte, wenn sie die ganze Affäre annähernd begreifen wollte. Sie hatte sich bereits entschlossen, Reed im Büro der Staatsanwaltschaft anzurufen und ihn zu erpressen (wenn es nötig sein sollte), damit er ihr erzählte, was die Polizei bereits wußte, aber inzwischen war es das vernünftigste, erst einmal die Fakten zu sammeln. Mit ihrer seltsamen Fähigkeit, sich selbst quasi von außen zu betrachten, bemerkte Kate voller Interesse, daß sie den Mord bereits als Tatsache hingenommen hatte, daß der Schock vorbei war und sie nun das Stadium erreicht hatte, in dem ein geplantes Vorgehen möglich war.
    »Also«, sagte Nicki und nippte mechanisch an ihrem Sherry, »es begann wie an jedem anderen Tag.« (Das tun alle Tage, dachte Kate, aber wir bemerken es nicht, wenn sie nicht auch so enden wie jeder andere Tag.) »Emanuel stand mit den Jungen auf. Es ist die einzige Zeit, zu der er sie wirklich sieht, bis auf gelegentliche Augenblicke im Laufe des Tages, und sie haben alle zusammen in der Küche gefrühstückt. Um acht Uhr hatte er nämlich einen Patienten, und um zehn Minuten vor acht schob er die Jungen in ihr Zimmer, wo sie spielten, obwohl ruhiges Spielen für sie nicht mehr das Richtige ist, während ich meinen unterbrochenen Schlaf bis neun Uhr fortsetzte…«
    »Du meinst, Emanuel hat um acht Uhr morgens schon einen Patienten?«
    »Natürlich, das ist die beliebteste Stunde von allen. Wer zur Arbeit geht, muß entweder vorher kommen, in der Mittagspause oder nach der Arbeit am frühen Abend, und das ist auch der Grund, warum Emanuels Arbeitstag, und wahrscheinlich der aller Psychiater, sich an beiden Enden
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