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Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis
Autoren: Amanda Cross
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sie, wenn man es sich überlegte, zum Eindringen jeder Art ein. Der Eingang von der Straße führte in einen kurzen Flur mit der Wohnung der Bauers auf der einen und der Praxis eines Arztes (keines, der in der Psychiatrie tätig war, soweit Kate sich erinnerte) auf der anderen Seite. Hinter diesen beiden Türen ging der Flur in eine kleine Halle über, mit einer Sitzbank, einem Aufzug und dahinter einer Tür, die in die Garage führte. Während die Haupthalle des Gebäudes von Wach- und Bedienungspersonal geradezu überquoll, verfügte diese kleine nur über einen Fahrstuhlführer, der, wie es sich für diesen Beruf gehörte, ein Gutteil seiner Zeit damit verbrachte, mit dem Aufzug auf- und abzufahren. Wenn er in seinem Aufzug war, war die Halle leer. Weder die Tür zur Wohnung der Bauers noch der Eingang zur Praxis gegenüber waren tagsüber verschlossen. Emanuels Patienten gingen einfach hinein und setzten sich in ein kleines Wartezimmer, bis Emanuel sie hereinbat. Theoretisch konnte so, wenn der Aufzug unterwegs war, jedermann zu jeder Zeit unbeobachtet hereinkommen.
    Doch natürlich würden andere Leute dort sein. Ganz abgesehen von dem anderen Doktor, seinen Patientinnen und seinen Helferinnen, die für ein eifriges Kommen und Gehen zu sorgen schienen, waren da Emanuel selber und seine Patienten, wahrscheinlich einer im Beratungszimmer, der andere wartend, und dazu Nicola, das Mädchen, die Bauer-Sprößlinge Simon und Joshua, Freunde von Nicola, Freunde der beiden Jungen und schließlich, auch das wurde Kate klar, alle die, die in den oberen Stockwerken wohnten, den Seiteneingang benutzt hatten und in der kleinen Halle auf den Fahrstuhl warteten. Es erschien Kate immer eindeutiger – und wahrscheinlich war es der Polizei ohnehin schon klar –, daß, wer immer die Tat begangen hatte, sich dort auskannte und auch über die Bauers Bescheid wußte. Das war ein beunruhigender Gedanke, aber Kate wehrte sich zu diesem Zeitpunkt, über die deprimierenden Folgerungen weiter nachzudenken. Vielleicht, dachte Kate, war der Mörder gesehen worden. Aber in Wirklichkeit bezweifelte sie das. Und falls der Mörder (oder die Mörderin) gesehen worden sein sollte, dann hatte er (sie) wahrscheinlich wie ein ganz gewöhnlicher Mieter, Besucher oder Patient gewirkt, und an so jemanden konnte man sich einfach nicht erinnern, er (sie) war so gut wie unsichtbar.
    Kate fand Nicola im hinteren Teil der Wohnung auf dem Bett ausgestreckt. Kate war, abgesehen von dem Polizisten in der Halle, unbemerkt hineingekommen, und das war eine Tatsache, die sie noch mehr bedrückte. Ob sie sich aufregte, weil sie so leicht hineingekommen war, oder weil der Polizist gegenwärtig war, hätte sie nicht sagen können. Nicola hielt sich gewöhnlich im hinteren Teil der Wohnung auf. Das Wohnzimmer der Bauers, das von dem Flur aus, durch den die Patienten gingen, zu sehen war, wurde tagsüber oder in den frühen Abendstunden, wenn Emanuel noch Patienten hatte, nicht benutzt. In der Tat wurde großer Wert darauf gelegt – was alle Freunde von Nicola auch wußten –, daß die Patienten niemandem aus Emanuels Haushalt begegneten. Sogar die Jungen waren Experten darin geworden, zwischen ihren Zimmern und der Küche hin und her zu springen, ohne einen Patienten zu treffen.
    »Arbeitet Emanuel?« fragte Kate.
    »Ja. Sie haben ihn wieder in die Praxis gelassen, aber natürlich wird es in der Zeitung stehen, und ob die Patienten wiederkommen und was sie sich denken werden, wenn sie es tun, mag ich mir gar nicht vorstellen. Ich nehme an, es werden eine ganze Reihe faszinierender Dinge zum Vorschein kommen, falls sie darüber reden, aber für die Übertragung während der Analyse ist es nicht gerade das beste, zumindest nicht für die positive Übertragung, wenn in der Praxis des Analytikers schon einmal ein Mord stattgefunden hat, mit dem Analytiker selbst als Hauptverdächtigem. Ich meine, Patienten haben durchaus Phantasien darüber, wie sie auf der Analytiker-Couch attackiert werden – ich bin sicher, den meisten geht es so –, aber am besten nicht auf einer Couch, auf der tatsächlich schon jemand erdolcht wurde.«
    Nichts, bemerkte Kate dankbar, nichts konnte Nicolas Redefluß stoppen. Außer, wenn sie über ihre Kinder redete (und der einzige Weg, sich davon nicht nerven zu lassen, glaubte Kate, war das Vermeiden solcher Gespräche), war Nicola nie langweilig, teils, weil das, was sie sagte, aus einer Freude am Leben rührte, die mehr war als bloße
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