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Funkensommer

Funkensommer

Titel: Funkensommer
Autoren: Michaela Holzinger
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über uns Wellen. Schaukelt uns hin und her. Und hin und her. Und dennoch sind wir da. Seite an Seite. So, wie wir es immer gewesen sind. Und wahrscheinlich immer sein werden. Da bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil ich meiner besten Freundin kein Vertrauen schenken kann. Ich drehe mich zu ihr hin und flüstere: »Ich weiß einfach nicht, was da ist. Verstehst du?« Und ich muss kämpfen, damit ich nicht anfange zu weinen.
    Jelly lächelt mich an. Wissend. »Erwischt, mhm?« Und dann nimmt sie mich in ihre Arme und flüstert: »Du weißt ja, wo du mich findest, wenn du jemanden zum Reden brauchst!«
    Ich nicke. Stumm. Und klettere auf den Felsen, den wir Jungfrauenfelsen nennen. Meine Zehen krallen sich in den Spalten fest. Ich richte mich auf und blicke ins Wasser. Vor mir tut sich das tiefe schwarze Loch auf. Ich hole Luft. Tief Luft. Und dann springe ich …
    … rauschendes Wasser, kitzelnder Morast, wogende Haare, alles stürzt auf mich ein. Ich lasse mich sinken, es zieht mich hinunter, tiefer und noch tiefer. Um mich herum wird es still. Ich koste den Augenblick aus. Eine Sekunde. Zwei Sekunden. Drei Sekunden. In meinen Lungen fängt es zu kribbeln an. Jetzt ist es Zeit. Mit einer kraftvollen Bewegung drücke ich mich in Richtung Licht. Wieder rauschendes Wasser, kitzelnder Morast und wogende Haare. Als ich auftauche, hat mich die Welt wieder. Ich ringe nach Luft, öffne die Augen und …
    … blicke direkt in das Gesicht von Finn.

Johannihimmel
    Finn liegt neben mir unter der Birke. Seine Augen sind geschlossen. Schläft er? Sein Atem geht gleichmäßig und riecht nach Alkohol. Ich beuge mich über ihn und betrachte sein Gesicht. Sein Mund ist leicht geöffnet. Die nassen Haare kleben an der Stirn. Dazwischen spiegeln sich kleine Wassertropfen im Sonnenlicht.
    »Lass ihn schlafen!«, ruft Tobias, als er mit Jelly aus dem Wasser kommt. Händchen haltend. Jelly lächelt versonnen.
    »Der hat gestern noch ziemlich viel gebechert«, sagt Tobias und schüttelt sich das Wasser aus den schwarzen Haaren.
    Jelly wirft Tobias einen fragenden Blick zu. »Aber Finn ist doch vom Fest so früh verschwunden …«
    »Ja, eben«, meint Tobias. »Zuerst lässt der Kerl uns einfach stehen. Und dann taucht er Stunden später wieder auf und knallt sich ein Whiskey-Red Bull nach dem anderen rein. Ohne ein Wort zu sagen.« Tobias zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung, was gestern mit ihm los war.«
    Also ist Finn zum Fest zurück, überlege ich still. Und weil er dort so viel getrunken hat, ist er nun völlig erledigt. Deshalb habe ich ihn auf dem Handy nicht erreichen können …
    Und schon ist sie wieder da, die quälende Frage, die sich langsam in meinem Hirn ausbreitet und es erlahmen lässt. Diese eine Frage: War es wegen der Schweinehand?
    Gedanklich spule ich zum Anfang zurück, während Finn neben mir seinen Rausch ausschläft. Von Weitem höre ich Jellys helles Lachen. Tobias scheint ziemlich verrückt nach ihr zu sein. Und sie nach ihm. Wie die beiden da so auf der Decke liegen und herumknutschen … als ob sie sich seit einer Ewigkeit kennen würden. Dabei kennen sie einander erst seit ein paar Tagen. Durch Finn. Und mich. Und jetzt haben sie den größten Spaß miteinander, und alles an ihnen sieht leicht und unbeschwert aus. Typisch Jelly! Sie ist wie eine von diesen geleeartigen Bohnen, die es in allerlei Farben und Geschmacksrichtungen gibt. Die sind außen süß und innen auch. Und immer für eine Überraschung gut. Und so ist auch Jellena. Wie eine Jelly-Bean.
    Bei mir hingegen ist alles anders. Viel schwieriger.
    Dass Finn mich vor ein paar Wochen an der Bushaltestelle angesprochen hat, wundert mich immer noch. Zuerst dachte ich, er wolle sich nach Lena erkundigen. Wie es ansonsten der Fall ist, wenn mich Jungs von der Schule ansprechen. Weil sie durch mich an Lena herankommen wollen. Oder an Jelly. Manchmal holt Jelly mich nämlich von der Schule ab, wenn wir in die Stadt ins Kino wollen oder shoppen gehen. Da können sich die Jungs das Gaffen auch nicht verkneifen, wenn Jelly mich abholt.
    Bei Finn aber war das anders. Ich kannte ihn nur flüchtig. Ich wusste, dass er zwei Schulklassen über mir ist und in die 7e geht. Mehr nicht. Man kann nicht alle kennen. Ist ja eine Riesenschule. Über tausend Schüler mindestens. Und trotzdem ist er mir aufgefallen. Mit seiner ruhigen Art. Und dem klaren Blick. Dass ich ihm aber auch aufgefallen bin …?
    Jedenfalls stand ich an dem Tag an der Haltestelle und
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