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Funkensommer

Funkensommer

Titel: Funkensommer
Autoren: Michaela Holzinger
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uns schnurz-piep-egal. Wir legen uns ins feuchte Gras mitten in den Obstgarten. Zwischen Apfel- und Birnbäumen. Und dann … küssen wir uns. Zuerst nur ein bisschen. Ganz sanft. So zum Probieren. Aber dann immer mehr. Und mein Herz pocht. Mein Kopf dröhnt. Und meine Wangen glühen. Es fühlt sich total berauschend an, sogar in meinen Ohren rauscht es. Vor Glück, wahrscheinlich. Oder?
    Oder, doch nicht … das Rauschen kommt nämlich von ganz wo anders her. Es kommt von einem Auto, das die Zufahrtsstraße zum Hof entlangfährt. Meine Eltern, fährt es mir durch den Kopf. Sie kommen. Vom Fest. Schon.
    »Schnell«, zische ich Finn ins Ohr und befreie mich aus seiner Umarmung. »Du musst gehen!«
    Finn sieht mich fragend an. Doch mir bleibt keine Zeit, die Situation zu erklären. Denn schon kommen die Lichtkegel des Autos näher.
    »Bitte!«
    Finn nickt. Ausdruckslos.
    »Ich rufe dich morgen an«, flüstere ich ihm nach. »Versprochen!«
    Dann verschluckt ihn die Dunkelheit.

Juniwind
    »Dass du die Geburt so gut hingekriegt hast«, meint Papa am nächsten Morgen und strubbelt mir im Vorbeigehen durchs Haar. Dann lässt er sich auf die Küchenbank plumpsen und schneidet eine dicke Scheibe Brioche ab. »Wird ja doch noch eine Bäuerin aus dir!« Zufrieden tunkt er das Hefegebäck in den Milchkaffee ein, beißt ab und deutet mit vollem Mund auf den vergilbten Bauernkalender, der schon seit Ewigkeiten dort an der Wand hängt. Gleich neben dem Herrgottswinkel. »Menschensinn und Juniwind ändern sich oft sehr geschwind!«, nuschelt er grinsend.
    »Mhm«, sage ich nur und nehme ein paar Zuckerwürfel aus der Dose, Stück für Stück. Sechs oder sieben. Und lasse sie langsam im Kaffee untergehen. Dabei klimpere ich mit dem Löffel, eine Spur zu laut. Denn als sich Mama zum Tisch setzt, schaut sie mich vorwurfsvoll an. Automatisch greift ihre Hand nach der Zuckerdose. »Hannah, glaubst du nicht, dass du schon genug hast?«, fragt sie streng und stellt die Dose aufs Fensterbrett.
    Genug. Habe ich genug? Nein, brüllt es in mir. Ich habe nicht genug! Und mein Menschensinn hat sich wegen der beschissenen Bauernregel auch nicht geändert! Aber alles, was ich zustande bringe, ist ein mickriger Giftblick, der überhaupt keine Wirkung zeigt, weil die Morgensonne gnadenlos zum Fenster hereinscheint und ich blinzeln muss. Ich finde Mamas Verhalten zum Kotzen. Seitdem Raphael diesen Anfall hatte und Diät halten muss, ist sie total anders geworden. Besonders zu mir. Dabei finde ich, dass mein Bruder mit der Heustauballergie gar nicht so schlecht dran ist. Jedenfalls muss er seitdem nicht mehr die Schweine füttern. Und überhaupt braucht er am Hof nicht mehr mitzuhelfen. Ich dafür umso mehr. Vielleicht ist das ja der Grund, warum Mama jeden Tag die Zuckerdose aufs Fensterbrett stellt. Damit ich weiterhin die Stallarbeit erledigen kann. Na super …
    Wütend nippe ich an meinem Kaffee, der scheußlich schmeckt. Viel zu süß. Und trotzdem werde ich beim nächsten Mal aus Protest noch mehr Zucker hineingeben.
    Als sich ein paar Sonnenstrahlen auf die Tischdecke verirren, fällt mir ein, dass ich Finn anrufen sollte. Vielleicht können wir ja zum See gehen. Während ich noch darüber nachdenke, sagt Papa plötzlich: »Und ohne Hilfe«, und sieht mich schon wieder so komisch an. »Bei dem fetten Kerl hast du sicher ganz schön ziehen müssen. So alleine …«
    »Brummer«, antworte ich leise. Und als mich Mama und Papa nur verständnislos anschauen, erkläre ich: »Der fette Kerl heißt Brummer und ist gar nicht fett! Nur groß!« Dann schießt mir wieder diese blöde Tomatensuppenfarbe ins Gesicht. Daher beschließe ich, für heute genug gefrühstückt zu haben. Als ich die Küchentür aufstemme, steht Raphael vor mir. Mit verstrubbelten Haaren und geröteten Augen. Und einer Alkoholfahne, die mich beinahe umhaut.
    »Auch schon wach!«, gifte ich ihn an. Schnell dränge ich mich an meinem Bruder vorbei.
    Raphael grinst nur: »Für so junge Hühner wie dich heißt es eben früh ins Bett gehen!« Er lässt sich wie Papa auf die Küchenbank fallen und schnappt sich die Zuckerdose. Das reicht! Mit einem Knall schlage ich die Tür hinter mir zu und verschwinde zu Lanzelot.
     
    Doch die Pferdebox ist leer. Sicherlich hat Papa Lanzelot frühmorgens auf die Weide gelassen. Weil um diese Uhrzeit die Fliegen nicht so lästig sind. Also schnappe ich mir den Führstrick und marschiere in Richtung Koppel. Auf dem Weg dorthin summt es in meinem
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