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Funkensommer

Funkensommer

Titel: Funkensommer
Autoren: Michaela Holzinger
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mittlerweile zu goldgelben Teppichen herangereift. Daneben strotzen grüne Maisäcker. Wie ein buntes Mosaik sieht das aus. Besonders, wenn der Bus an ihnen vorüberzieht. Gelb, Grün, Gelb, Grün … und hie und da ein Sprenkel Rot von den Mohnblumen, die am Straßenrand wachsen.
    Die Hitze im Bus ist unerträglich. Auch Lena neben mir schwitzt. Ihre Locken kleben an der Stirn und lassen Lena irgendwie hässlich aussehen. Ein ungewohntes Bild. Lena ist ansonsten immer schön. Immer perfekt. Als ob sie meine Gedanken erraten hätte, wischt sie sich über die Stirn und versucht, Ordnung in ihre Frisur zu bringen. »Wie gut, dass wir nur noch ein paar Tage Schule haben«, stöhnt sie, und fängt an, am Fenster herumzunesteln. Vergeblich versucht sie, es einen Spaltbreit zu öffnen. »In einer Woche sitze ich schon auf Ibiza und trinke Cocktails am Strand.« Sie lacht kurz auf. Als sie aber merkt, dass sich das Fenster nicht öffnen lässt, verstummt sie. Griesgrämig wendet sie sich ab und zu mir hin. »Und was wirst du so in den Ferien machen?«, will sie wissen.
    »Was schon«, murmle ich. »Bei der Ernte helfen und so. Was halt im Sommer auf einem Hof so anfällt. Da ist nix mit Urlaub.«
    Lena verzieht ihren himbeerroten Glitzermund zu einem versöhnlichen Lächeln. »Ach ja, stimmt. Sorry, habe ich ganz vergessen.« Eilig hängt sie dran: »Dann schreibe ich dir eine Karte. Eine ganz schöne. Mit dem Meer darauf. Versprochen!«
    »Super«, antworte ich. Zum Glück biegt der Bus jetzt in die Dorfstraße ein. Schon tauchen die ersten Häuser auf. Als ich meine Tasche packe, sagt Lena noch: »Und Finn, dem schreibe ich auch eine.« Sie lächelt wieder. Dieses Mal richtig. »Ich hätte ihn noch so gerne vor den Ferien gesehen. Wie blöd, dass die Siebtklässler ausgerechnet in der letzten Schulwoche auf Klassenfahrt sind.«
    Endlich öffnet sich die Tür. Ich kann die Hitze im Bus kaum noch ertragen. Mit einem Satz springe ich ins Freie. Meine Sandalen klappern auf dem Pflaster. Schon ist Lena hinter mir. »Vielleicht«, sagt sie, »lernt Finn in der Zwischenzeit jemand anders kennen – während der Ferien. Da sollte ich Vorsorgen …«
    Nervös fummele ich an meinem Fahrradschloss herum. »Du bist doch gar nicht mit ihm zusammen«, sage ich leise und atme auf, als das Schloss nachgibt.
    Lena dreht sich zu mir um. »Das ist nur eine Frage der Zeit«, sagt sie und wirft gekonnt ihre goldene Lockenmähne in den Nacken. »Also, dann. Bis morgen!«
    »Ja, bis morgen«, flüstere ich, trete kräftig in die Pedale und bin froh, als Lena hinter mir am Horizont kleiner und kleiner wird.
    Wie von selbst lenkt sich mein Fahrrad dann am Dorfbrunnen vorbei, die schmale Kirchengasse hinunter, in der es angenehm kühl ist, bis hin zum Friseurladen.
    Fast täglich nehme ich diesen Weg, obwohl er für mich ein Umweg ist. Aber das macht mir nichts. Denn bei Jelly und Karolina ist es einfach viel gemütlicher als bei uns zu Hause. Überhaupt in letzter Zeit. Schon kommt das kleine Häuschen näher, und ich bremse ab. Karos Frisierstube steht über der Tür. Darunter ein kleines Schild: Mittags geschlossen.
    Vorsichtig bugsiere ich das Rad an den Mülltonnen vorbei, stelle es im Hinterhof ab und hänge den Rucksack über die Lenkstange. Als ich die Tür öffne, höre ich laute Musik und schallendes Gelächter.
    »Hallo?«, rufe ich nach oben.
    Jelly beugt ihre blonde Mähne über das Treppengeländer. »Hallo du! Hast du Hunger? Mama macht Spaghetti!«
    Ich schüttle den Kopf. »Ich wollte nur kurz vorbeischauen«, antworte ich, streife die Sandalen ab und laufe barfuß die Holztreppe hoch. In der Küche steht Karolina, Jellys Mutter, am Herd und singt den aktuellen Sommerhit mit, der aus dem Radio dröhnt. Ich nicke ihr kurz zu, worauf sie sich vom Kochtopf abwendet und auf mich zukommt. Sanft zupft sie an meinen Haaren. »Dein Pony nachgeschnitten gehört«, meint sie und drückt mir ein Küsschen auf die Wange. Noch immer hört man ihr an, dass sie nicht von hier stammt.
    Bei Jelly ist das anders. Sie hatte nur anfangs im Kindergarten Schwierigkeiten mit unserer Sprache gehabt. Nach einiger Zeit aber quatschte sie genauso wie wir anderen Kinder aus dem Dorf. Bei Karolina aber hört man es. Auch nach so langer Zeit noch. »Komm doch vorbei mal. Am besten ist abends. Dann machen wir Mädelsabend!«, sagt sie.
    Ich lächle ihr zu und atme den Duft ein, der Jellys Mutter umgibt. Karolina riecht nach Haarfärbemittel und Kräutershampoo.
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