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Funkensommer

Funkensommer

Titel: Funkensommer
Autoren: Michaela Holzinger
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schon. Dazu gibt es sogar einen Spruch. Meine Mutter sagt den immer: Wenn die Funken leuchten im Garten, lässt sich gutes Wetter erwarten. «
    Ich muss lachen und ein wohliger Schauer rieselt über meinen Rücken. »Deshalb also Funkensommer!«
    »Funkensommer?« ,wiederholt er. »Was ist das denn?«
    »Na ja, ein Funkensommer ist eben alles. Verstehst du?«
    Er schüttelt den Kopf. »Nicht die Bohne!«
    »Musst du auch nicht«, lache ich übermütig und beginne, meine Sachen zusammenzusuchen. Dann begleitet mich mein Freund nach Hause.
     
    Es brennt noch Licht, als ich durch die Hoftür schlüpfe. Leise will ich in mein Zimmer verschwinden, als Mama ruft:
    »Hannah, kommst du mal bitte?!«
    Mist! Auf Mamas Strafpredigt kann ich jetzt gut und gerne verzichten!
    Aber ich will nicht schon wieder ausweichen und so mache ich die Küchentür auf. Hoffentlich merken sie nichts, denke ich mir. Von meinem Funkensommererlebnis!
    Denn ich spüre sie sehr wohl! Die Veränderung. Aber sie gehört jetzt zu mir. Und sie gehört auch nur mir. So ist das nun mal. Nichts bleibt gleich. Das müssen auch meine Eltern akzeptieren. Also trete ich ein.
    Meine Eltern sitzen am Küchentisch und sehen sich schweigend an.
    »Wo warst du?«, ist das Erste, was Mama von mir wissen will, als ich reinkomme.
    Ich lege das Notebook auf die Küchenanrichte und sehe den beiden fest in die Augen. »Bei Finn!«
    »Bei Finn? Bei Delorn Finn?« Papa sieht mich verblüfft an. »Aber das ist doch der Sohn von Raphaels Chef …«
    »Ja«, sage ich knapp. »Und?«
    Da klappt Papa den Mund zu und schaut zu Mama hinüber.
    »Weiß Raphael davon?«, hakt sie nach.
    »Jetzt schon«, antworte ich. »Und es ist in Ordnung!«
    Mama nickt langsam. »Ich nehme an, ihr habt das bei Antonia Brugger geklärt?«
    »Ja.«
    Sie seufzt. »Und … weißt du vielleicht, wo Raphael ist?«
    Auf einmal bekomme ich Mitleid mit meinen Eltern. Weil sie wirklich gar nichts schnallen. Deshalb sage ich: »Er ist bei Jellena! Sie hat es schlussendlich rausgefunden. Eure Lügerei …«
    Mama und Papa heben ertappt den Kopf.
    »Warum habt ihr nie erzählt, dass sich Jellys Vater das Leben genommen hat? Am Jungfrauenfelsen!«
    »Ach, das arme Ding«, brummt Papa. »Sie war ja damals dabei, als ihre Mutter ihn gefunden hat. Und in ihrer Not kam Karolina schließlich zu uns.«
    »Wir mussten ihr versprechen, nichts zu sagen. Das Dorf ist klein – da wird gern geredet. Und Karolina war doch dabei, sich als Friseurin hier ein Geschäft aufzubauen. Ganz zu schweigen von Jellena, die mit dem Wissen hätten aufwachsen müssen, dass sich ihr Vater selbst getötet hat.«
    »Trotzdem«, sage ich, »ist es grausam. Jelly hat es heute erst erfahren. Könnt ihr euch vorstellen, wie schrecklich das für sie ist? Sie hat jahrelang doch irgendwie darauf gewartet, dass er wieder zurückkommt!«
    Mama murmelt: »Wir wissen schon davon, dass Jellena es nun weiß! Karolina hat vorhin angerufen. Sie macht sich große Sorgen!«
    Ich sehe die beiden verständnislos an. »Wie konntet ihr nur so lügen?«
    »Es war damals am besten so, euch Kindern nichts davon zu erzählen«, sagt Mama stockend. »Eigentlich wollten wir gar nicht darüber reden – doch dann hat Oma mit ihren Gruselgeschichten angefangen …«
    »Weil sie nicht wollte, dass wir dort hingehen?«
    Mama nickt traurig. »Genau! Ich habe ihr immer gesagt, sie soll nicht davon sprechen. Aber sie hat es nicht sein lassen können. Du weißt ja, wie die Leute früher über Selbstmörder gedacht haben …« Ihre Stimme bricht ab. Sie senkt den Kopf. Schließlich fragt sie: »Wie geht es Jellena?«
    »Beschissen«, antworte ich.
    »Und Karolina?«
    »Auch beschissen.«
    Mama nickt. Papa schweigt. Die Schrankuhr aus dem Wohnzimmer tickt unaufhörlich. Der Bauernkalender hinter Papa an der Wand hängt schief. Ich verlagere mein Gewicht von einem Bein auf das andere und will endlich in mein Zimmer gehen, da sieht mich Mama auf einmal an und sagt: »Und dir? Wie geht es dir?«
    Ihre Worte schweben durch den Raum. Sie fühlen sich ein bisschen einsam und fremd an, weil sie hier drinnen schon lange nicht mehr ausgesprochen worden sind.
    Verblüfft starre ich meine Mutter an. Ich starre auf ihre braunen Locken. Ihre blasse Haut. Die vielen Sommersprossen in ihrem Gesicht. Die traurigen Augen. Und schenke ihr schließlich einen lieben Blick, weil sie ja immer noch meine Mutter ist. Weil ich ihr ansehe, dass sie sich darum bemüht, eine gute Mutter zu sein. Und
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