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Funkensommer

Funkensommer

Titel: Funkensommer
Autoren: Michaela Holzinger
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»Nur ein kleines bisschen. Nur so viel, bis das Mutterherz beruhigt ist!«
    »Versprochen!«, sage ich und stimme in ihr Lachen mit ein.
    »Danke«, sagt sie und macht daraufhin tatsächlich die Tür hinter sich zu, ohne sie danach noch mal aufzureißen.
    Da sitzen wir nun. Finn und ich. Und uns bleibt gerade noch eine gute Stunde übrig, bis Finn zum Flughafen fahren muss.
    »Ich glaube, ich pack dich in meinen Koffer ein«, murmelt er und streicht mir den Pony aus dem Gesicht. »Ich will nicht weg!«
    »Ich weiß«, flüstere ich. »Mir geht es genauso.«
    Finn drückt mich an sich. »Und du willst bestimmt nicht mit zum Flughafen fahren?«
    »Lieber nicht! Sonst muss ich nur heulen, und das wäre furchtbar peinlich!«
    Finn brummt. »Sag so etwas nicht! Nicht traurig sein! Nicht wegen mir! Okay?«
    »Ich versuch’s«, sage ich und lächle tapfer. Dann klammern wir uns aneinander. So fest, als würde es darum gehen, unsere Liebe für die nächsten drei Monate festzuhalten. Wir klammern. Und reden. Und küssen uns. Und klammern wieder, bis es irgendwann an der Tür klopft und die Stimme von Finns Mutter von draußen her drängt: »Finn, wir müssen los!«
    Also umarmen wir uns noch einmal. Und versprechen uns gegenseitig, treu zu bleiben. Nichts mit anderen Typen oder Tussen anzufangen. Mit weichen Knien schleppen wir die Koffer ins Auto. Bis schlussendlich der große Moment gekommen ist, um tatsächlich Abschied zu nehmen.
    Wir liegen uns in den Armen. Obwohl Finns Mutter daneben steht. Aber das ist uns inzwischen schnurz-piepegal. Die Sonne lächelt träge durch den milchigen Nebel hindurch. Bunte Blätter umwehen unsere Füße. Ein kalter Windstoß fährt uns durch die Haare, und Frau Delorn sagt daraufhin mit schwerer Stimme: »Brr, kalt wird es! Es fängt an zu herbsten. Wir müssen uns wohl vom Sommer verabschieden. So wie von dir, Finn. Wie heißt es so schön: Ein Sommer, der vergeht, ist wie ein Freund, der Abschied nimmt. Ein Tag der Abschiede also!«
    Wir sehen uns an. Und nicken. Und schniefen. Und winken uns zu, als Finn endlich ins Auto steigt. Dann winken wir immer noch, bis das Auto um die Ecke gebogen ist und Finn vom Herbstnebel verschluckt wird.
    Erst dann lasse ich meine Hand sinken.
     
    Wieder sitze ich im Sattel.
    Es ist ein guter Tag, um einen Ausritt zu machen. Die Luft ist schon lange nicht mehr schwül. Aber der Waldboden ist vom Regen auch nicht aufgeweicht. Zufrieden trabt Lanzelot den Weg entlang und wirkt überrascht, als ich ihn dann doch in eine andere Richtung dirigiere, statt ihm auf unserer Lieblingsreitstrecke freien Lauf zu lassen.
    »Nein, mein Guter«, sage ich. »Diesmal geht es woandershin!«
    Lanzelot schnaubt zwar, doch schließlich biegt er artig vom gewohnten Weg ab und folgt einer Traktorspur, die sich tief in den Waldboden gegraben hat.
    Ich zügle ihn, um nicht von den dürren Fichtenästen gestochen zu werden, die sich neben uns in Augenhöhe aus den Stämmen bohren. Vorsichtig schiebt sich Lanzelot an ihnen vorbei.
    Wir reiten ins dichte Unterholz, bis es irgendwann zu schwappen und zu rascheln und zu gurgeln anfängt. Der See heißt uns mit seinem Klang willkommen.
    Bedächtig schwinge ich mich aus dem Sattel und binde Lanzelot an einem Baumstamm fest. Schon beginnt der verfressene Kerl zu grasen. Er rupft die spärlichen Grashalme zusammen, die auf dem kargen Waldboden dahinvegetieren, und probiert die welken Blätter, die sich mittlerweile auf der Erde eingefunden haben.
    Als ich mich vergewissert habe, dass Lanzelot auch wirklich fest angebunden ist, gehe ich dem Geräusch des Wassers entgegen. Schon von Weitem sehe ich Jellys bunte Regenjacke im Herbstlicht aufblitzen. Sie lehnt an der Birke und sieht hinaus auf den See.
    »Du bist schon da?«, rufe ich und eile meiner Freundin entgegen. Gerade noch sehe ich, wie sie sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln streicht, dann wirft sie mir ein zaghaftes Lächeln zu.
    »Er ist anders geworden. Der See ist anders geworden. Findest du nicht auch?«, murmelt sie.
    Ich drehe mich um und lasse den Blick ebenfalls schweifen. Über das schwarze Wasser, das gleichmäßig gegen den Felsen schwappt. Über das Schilf, das im Wind raschelt. Und natürlich über den Felsen. »Ja, er ist anders geworden«, sage ich und ziehe zum Beweis eine Kerze aus meiner Jackentasche. »Deshalb finde ich, dass wir mit diesem Ort auch abschließen sollten!« Vorsichtig sehe ich Jelly dabei an. »Was meinst du?«
    »Wolltest du dich deshalb
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