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Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Titel: Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
Autoren: Andreas Brandhorst
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Prolog
     
    Heres
     
     
    Der Mann, den alle nur den »Weisen« nannten, trat aus seinem mobilen Haus in den Schein von zwei aufgehenden Sonnen, die eine rot, die andere blauweiß. Das leuchtende Band der dünnen Materiebrücke zwischen ihnen, für die Völker der vier Dominien der »brennende Weg«, verbarg sich noch halb im Dunst der Frühe. Die schlichteren Gemüter der verschiedenen Völker glaubten tatsächlich, dass es sich um einen Weg handelte, der von einem Gestirn zum anderen führte, aber der Weise wusste es besser. Die beiden Sonnen waren sich so nahe, dass die eine der anderen Materie stahl: brodelndes Plasma, Millionen von Grad heiß. Ein solches System war natürlich instabil. Irgendwann würde Adonai, der blauweiße Stern, den roten namens Jovis ganz verschlungen haben und sich aufblähen, was vermutlich das Ende von Heres bedeutete. In einigen Jahrmillionen würde diese Welt verbrennen, was den Weisen an die Vergänglichkeit allen Seins erinnerte, auch daran, dass ihm selbst nicht mehr viel Zeit blieb. Eine lange Reise lag hinter ihm, und der Weg war noch weit.
    Die letzte Benommenheit des echten Schlafs fiel von ihm ab, als er über das Plateau schritt, zu einem Felsen, der wie ein Buckel aus der öden Landschaft ragte. Dort nahm er Platz, trotz der morgendlichen Kälte nur in einen dünnen Einteiler aus anpassungsfähigem Gewebe gekleidet, das aus dem Zweiten Dominium stammte, der am stärksten technisch ausgerichteten der vier bekannten Welten. Es enthielt Tausende von winzigen Solarzellen, die das Licht der beiden Sonnen empfingen und daraus wärmende Energie gewannen.
    Ein Pfiff veranlasste den Weisen, zu seinem mobilen Haus zurückzusehen. Ein Schemen huschte durch die offene Tür und über die graubraune Felslandschaft, wurde dicht neben ihm zu einem etwa zwanzig Zentimeter großen Geschöpf, das wie eine Mischung aus Katze und Gürteltier aussah: Kiwitt. Das Wesen war ihm im Ersten Dominium zugelaufen und begleitete ihn seit Jahren. Der Weise hatte es inzwischen sehr lieb gewonnen.
    Kiwitt sprang an ihm empor, nahm auf der Schulter Platz und reckte die schmale Schnauze den beiden Sonnen entgegen. Der Weise streichelte seinen treuen Begleiter, zog dann die Beine an, stützte die Arme darauf ab und schloss die Augen. Viele Leute, denen er im Verlauf seiner Reise begegnet war, glaubten, dass er meditierte, Kraft und wichtige Erkenntnisse aus der Meditation gewann. Das stimmte nur bedingt. Es ging ihm vor allem darum, diese Momente der Frühe zu genießen, die allein ihm gehörten, sich zu entspannen und die Traumbilder festzuhalten, die ihm der echte Schlaf gelegentlich schenkte. Manchmal, wenn er in der richtigen Stimmung war, meditierte er tatsächlich, und wenn sich ihm dabei Erkenntnisse offenbarten, so galten sie seinem Innenleben, dem komplexen Gleichgewicht zwischen Wünschen, Hoffnungen und den Notwendigkeiten des täglichen Lebens. Die anderen Erkenntnisse, die man oft von ihm erwartete, gewann er nicht auf diese Weise.
    Die aufgehenden Sonnen vertrieben die Kälte der Nacht schon nach kurzer Zeit, und das anpassungsfähige Gewebe reagierte, indem es die Wärmeproduktion reduzierte. Von Kiwitt kam ein leises, zufriedenes Gurren, und nach einer Weile öffnete der Weise die Augen wieder und holte ein Gerät hervor. Die Symbole darauf waren ihm in den letzten Jahren vertraut geworden, aber von der Funktionsweise verstand er noch immer sehr wenig. Das Gerät war ein Artefakt der Dominanten, gab ihm Informationen über das Dominium, in dem er sich befand, und zeigte an, wann die Zeit reif war. Der Weise vertraute ihm – es verband ihn mit dem Ziel seiner Reise.
    Er schaltete das Gerät ein und wartete, bis die Mitte transparent wurde. Farben und Formen bildeten sich dort, jede mit eigener Bedeutung, und der Weise tastete mit den Fingerkuppen danach, so vorsichtig, als könnte er etwas zerbrechen. Zwei Monate hatte er bei dem Sensitiven im Zweiten Dominium den Umgang mit diesem Gerät gelernt, und er erinnerte sich an Ausdrücke wie »direktes neurales Interface«, »Statusbewertung«, »Ereignispegel« und »autonomer Realitätsanalysator«. Er glaubte, eine recht klare Vorstellung davon zu haben, was sie bedeuteten, aber was wichtiger war: Er konnte das Wogen und Wallen im Display des Geräts deuten, wenn er sich darauf konzentrierte und ihm seinen Geist öffnete. Es bot ihm wertvolle Hinweise.
    Einige Minuten später schaltete er das Gerät aus, und kurz darauf näherten sich Schritte.
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