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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot
Autoren: Bernhard Aichner
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Sie wollten ihn eingraben, Max ist gefahren. Es kommt zurück, langsam, nur einzelne Bilder. Wie er über den Dorfplatz gefahren ist. Wie er das Gaspedal nach unten gedrückt hat. Dann wieder nichts mehr. Nur das Klingeln, das ihn geweckt hat.
    Max hebt ab.
    Paul. Er will wissen, ob es Max gut geht, warum er noch nicht im Krankenhaus war, er sagt, dass er sich Sorgen gemacht hat, dass Tilda sich Sorgen gemacht hat. Dass sie ihn sehen will. Dass er kommen soll.
    Ich komme, sagt er und legt auf.
    Seine Stimme klingt schrecklich. Ohne dass Max es sagen musste, weiß Paul, was Max am Vorabend gemacht hat. Er hat gehört, dass Alkohol in Unmengen geflossen ist. Was sonst noch passiert ist, hat er nicht gehört. Was Max getan hat. Dass er Wagner vergraben hat, irgendwo auf einer Mülldeponie. Dass er und Baroni ihn sterben lassen wollten.
    Max steht auf und beginnt Baroni zu schütteln. Er setzt sich neben ihn und versucht ihn wach zu machen, er schreit ihn an, er soll aufwachen, er muss. Jetzt, schnell, er soll seine Augen öffnen, er soll ihn jetzt nicht allein lassen, er muss mit ihm reden, er muss wissen, was passiert ist. Doch Baroni bleibt, wo er ist. Da ist nur sein Stöhnen. Er kann nicht, seine Muskeln halten ihn nicht, immer wieder fällt er nach hinten, er lässt sich nicht hochziehen, er lallt, sein Kopf kippt zur Seite, er grummelt, stöhnt. Baroni bleibt liegen.
    Max ist allein.
    Er ist plötzlich hellwach, versucht sich mit Gewalt zu erinnern, aber er kann nicht. Das weiße Blatt füllt sich nicht, egal wie sehr er sich anstrengt, es ist nicht mehr da. Was war. Wohin sie gefahren sind. Was sie mit ihm gemacht haben. Ob sie ihn wirklich vergraben haben, ob sie die Schaufeln vom Friedhof geholt haben, so wie sie es sich ausgedacht hatten, ob sie eine von den großen Kartoffelkisten aus Baronis Keller geholt haben. Max weiß es nicht mehr. Ob sie ihm Luft zum Atmen gelassen haben. Ob sie ihn geschlagen haben, was mit der Waffe passiert ist. Max weiß nur, dass sie darüber geredet haben, und dass es sich gut angefühlt hat. Dass die Vorstellung, wie Wagner unter der Erde verreckt, schön war. Wunderschön.
    Jetzt ist sie die Hölle. Dass er es wirklich getan hat. Er rennt durch die Wohnung, sucht den Autoschlüssel. Seine Hose, Baronis Jacke. Er muss zur Deponie. Was, wenn er tot ist, erstickt ist, wenn sie einfach den Deckel zugemacht und ihn verschüttet haben? Wagner tot in der Kartoffelkiste. Der Schlüssel. Er darf sterben, es darf nicht passiert sein. Er hebt Baroni hoch und holt den Autoschlüssel aus seiner Hosentasche. Immer noch nackt rennt Max zur Wohnungstür und will nach unten. Im Stiegenhaus stoppt er, sieht an sich hinunter, er ist immer noch nackt, er rennt zurück in den Gang und nimmt Hannis Bademantel vom Haken. Ein weißer Frotteemantel mit roten Rosen.
    Barfuß über die Stiegen.
    Stufe für Stufe, durch die Tür auf den Kirchplatz.
    Wo ist das Auto? Wo haben sie geparkt? Es muss da sein, sie sind nach Hause gekommen, warum kann er sich nicht erinnern, wo hat er geparkt, warum haben sie Wagner nicht einfach der Polizei übergeben? Warum nicht? Warum weiß er nicht mehr, wo dieses verdammte Auto ist?
    Max läuft die Gasse hinunter.
    Man starrt ihn an, zwei alte Damen, die vom Friedhof kommen, sie halten sich die Hände vor die Münder. Der Totengräber im Bademantel. Max Broll mit Rosen bedeckt. Wie er rennt. Zum Dorfplatz, zum Würstelstand, irgendwo muss es sein. Er muss sich beeilen, er muss zur Deponie, er rennt, er braucht das Auto, sein Kopf brennt, die Angst hebt seine Beine.
    Er stellt sich vor, was passieren wird. Bestimmt hat sie jemand gesehen, wie sie ihn verladen haben, wie sie zur Deponie gefahren sind. Man wird sie verhaften, verurteilen, man wird sie einsperren, sie werden für die nächsten zwanzig Jahre in einer Zelle sitzen. Weil sie Mörder sind. Baroni und Max.
    Wie der Mantel noch nach ihr riecht.
    Wie Max rennt, sucht. Kein Auto. Er ist panisch, hilflos, er kann nicht glauben, was passiert. Es ist Sommer, es ist warm, er könnte mit Hanni auf seiner Terrasse liegen. Stattdessen versucht er herauszufinden, ob er ein Mörder ist. Er war sich so sicher. Es hat sich so gut angefühlt noch vor Stunden, die Vorstellung, ihn zu töten, dass er für immer verschwindet, dass er leidet, dass er bestraft wird, für alles, was er getan hat. Max wollte es unbedingt. Rache für Hanni. Wie der Schnaps ihn mutig gemacht hat, wie er und Baroni sich die schlimmsten Dinge ausgemalt, ihn
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