Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot
Autoren: Bernhard Aichner
Vom Netzwerk:
auf fünfzig verschiedene Arten umgebracht haben. Wie sie darüber geredet haben. Und wie sie dann in den Wagen gestiegen sind.
    Jetzt der Schlüssel wieder in seiner Hand. Max. Seine Füße auf dem Asphalt. Er ist gefahren, er weiß es, er sieht es vor sich, seine Hände am Steuer, wie er verschwommen die Straße vor sich sieht. Plötzlich ist es wieder da. Wie sie zurückgekommen sind, wie er geparkt hat. Das Auto steht in Baronis Garage, Max hat den Wagen gegen die Wand gefahren. Er ist zu schnell in die Einfahrt, hat zu spät gebremst, er ist in einen Stapel Kisten hineingefahren, hat ein Regal gerammt und die Wand hat ihn gebremst.
    Sie waren angeschnallt. Ein Ruck ist durch den Wagen gegangen, konnte ihnen aber nichts anhaben. Sie waren betrunken, sie waren am Ende, sie haben nur gelacht. Baronis Mercedes war Schrott, aber sie haben gelacht. Max erinnert sich. Aber nur daran. Wie sie zurückgekommen sind. Nicht, wohin sie gefahren sind, was sie ihm angetan haben.
    Baronis Villa, das Garagentor.
    Max steckt den Schlüssel in die Schließanlage, das Rolltor öffnet sich.
    Vor ihm der Wagen. Er steigt ein und startet, er darf nicht zu spät kommen, er muss leben, es darf nicht passiert sein, er muss ihn rechtzeitig finden, er legt den Rückwärtsgang ein, er will losfahren, aber er kann nicht. Die Reifen blockieren, alles ist verbeult, nichts bewegt sich. Er gibt Gas, aber das Auto bleibt, wo es ist. Lärm und Rauch.
    Es riecht nach verbranntem Gummi. Max dreht den Schlüssel um. Er bleibt sitzen. Er rührt sich nicht, seine Hände auf dem Lenkrad, seine Augen weit offen. Minutenlang. Wie er da sitzt und ins Leere starrt. Nichts tut. Wie er wartet, dass etwas passiert, etwas Gutes, ein Wunder, das ihn zurückbringt in sein altes Leben. Wie sich die Gewissheit langsam breit macht in ihm. Wie sie ihn lähmt. Von Sekunde zu Sekunde mehr.
    Er bewegt sich nicht. Er bekommt kaum noch Luft. Er weiß es jetzt.
    Sie haben ihn umgebracht.

Sechsundzwanzig
     
    Max und Baroni am Rücksitz, sie schweigen.
    Kein Wort. Sie starren aus dem Fenster des Polizeiwagens, immer noch benommen von der Nacht. Von allem, was passiert ist. Sie haben sich umgezogen, la Ortega hat ihnen Tortillas gemacht. Blums Frau war bereits abgereist, Beamte hatten sie abgeholt, genauso wie Max und Baroni.
    Zwei Uniformierte, die ihnen die Autotüren aufhielten.
    Wie sie jetzt schweigend nebeneinander sitzen.
    Wie Baroni aus einer großen Flasche Wasser trinkt. Wie er eine Tablette schluckt und auch Max eine in den Mund schiebt.
    Das hilft, sagt er.
    Ich glaube nicht, sagt Max.
    Wie sie aus dem Dorf fahren. Über die Autobahn. Der Beamte redet nicht, nur ab und zu schaut er in den Rückspiegel. Max schaut auf die Streifen am Asphalt. Wie schnell sie sind. Weiß und schnell. Wie sie an ihm vorbeiziehen, wie er versucht, sie zu zählen.
    Er hat Paul angerufen, hat ihm alles erzählt, alles über Wagner. Dass er in den Würstelstand gekommen ist, dass sie ihn überwältigt und geknebelt haben. Dass sie zu viel getrunken hatten. Max stand vor dem kaputten Mercedes und rekonstruierte, was am Vorabend geschehen war. Alles, Stück für Stück. Mit dem Klopfen war es ihm wieder eingefallen.
    Max begriff es zuerst nicht, erst als das Klopfen immer lauter wurde, riss er den Deckel nach oben. Da lag er, gekrümmt, verschnürt, da waren diese Augen, der Mann, den er umbringen hatte wollen, der Mann, der den Tod verdient hatte, mehr als jeder andere. Wie froh Max war, dass er lebte. Erleichterung schoss durch seinen Körper, die Bewegungen wurden plötzlich wieder leicht, die Gedanken, der Kopfschmerz, der ihn eben noch beinahe umgebracht hatte, war wie verflogen. Wagner lebte, seine kleinen verdorbenen Augen waren offen, bettelten um Hilfe. Leopold Wagner, mit Klebeband zum Stillstand gebracht, bereit zu sterben.
    Bereit, abgeholt zu werden.
    Max sah ihn an und musste lachen.
    Wie hilflos er war. Der Kindermacher, der Mörder, das Dreckschwein, das ein ganzes Land in Aufruhr versetzt hatte. Max lachte. Dann weinte er. Innerhalb von Sekunden wechselte sein Mund die Form. Wie sehr er davon überzeugt gewesen war, dass sie Wagner vergraben hatten. Sie waren nie auf der Deponie gewesen. Sie waren auch nirgendwo sonst gewesen, sie waren nur bis zu Baronis Haus gefahren, in seine Garage, nicht weiter. Vom Würstelstand bis an die Betonmauer. Und Wagner war dort, wo sie ihn hingepackt hatten. Bewusstlos lag er im Kofferraum, die ganze Nacht lang. Erst als Max im Bademantel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher