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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot
Autoren: Bernhard Aichner
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Klappe halten, das Radio lauter schalten und zuhören.
    Baronis Ohren ganz nah am Lautsprecher. Wagner am Boden.
    Die Stimme des Moderators schnell und hektisch. Sondermeldung. Liveeinstieg. Der Wald, sieben Kilometer vom Dorf. Die Stimme aus dem Radio.
    Max und Baroni. Ihre Augen groß, sie nehmen jedes Wort, sie können nicht glauben, was sie hören, die Stimme aus dem Radio ist fröhlich.
    Alles ist gut, sagt sie.
    Laut ersten Meldungen haben die Suchmannschaften die entführte Tilda Broll gefunden. In einem Waldstück oberhalb der Schlucht hat man Spuren entdeckt und nach kurzen Grabungsarbeiten die Kiste gefunden, in der die Kommissarin über drei Tage lang lebendig begraben war.
    Tilda Broll lebt, sagt der Sprecher.
    Wahnsinn, sagt Baroni.
    Heilige Scheiße, sagt Max.
    Max und Baroni hören jedes Wort des Reporters, der live aus dem Wald berichtet. Sie lag an einer Stelle, an der sie niemand vermutet hatte, abschüssiges Gelände, felsig, der Zustieg gefährlich. Wagner musste sich mit der Kiste abgeseilt haben, eigentlich hatte man gar nicht vorgehabt, an dieser unzugänglichen Stelle zu suchen, aber ein Freiwilliger ist dorthin abgestiegen und hat die umgewühlte Erde gefunden.
    Sie haben nach ihr gegraben, den Deckel gehoben, die Frau, die da gekauert ist, live im Radio. Die Stimme der Reporters überschlägt sich, er schreit ins Mikrofon. Dass sie sich ihre Hände vor die Augen hält. Dass sie lächelt. Dass sie die Hand eines Helfers nimmt. Dass sie weint. Sondersendung. Keine Musik mehr, nur noch Tilda Broll. Wie sie sich bewegt im Radio. Wie sie aus ihrer Kiste steigt, aus ihrem Gefängnis, wie sie gestützt wird, wie Tränen fallen, Freudentränen, wie der Reporter sie in ihrem Gesicht sieht. Wie sie fallen, wie er alles genau beschreibt, jedes Detail. Das Gesicht von Tilda Broll, ihre Kleidung, wie blass sie ist.
    Wie sie den Feuerwehrmann umarmt, der ihr nach oben geholfen hat. Wie sie ihn nicht mehr loslässt. Wie alle um sie herum klatschen, wie der Wald vor Glück fast platzt. Erschöpfte Helden, Hunde, hunderte Frauen und Männer, die ebenso wenig glauben können, was passiert ist, wie der Reporter, der die Nachrichten in den Würstelstand schreit, in die Ohren von Max, von Baroni.
    Sie haben sie gefunden.
    Max lacht, hüpft auf und ab, Baroni lacht. Sie umarmen sich, schreien.
    Zwei Männer außer sich, wie sie hysterisch lachen, weil sie nicht mehr damit gerechnet haben, weil sie sie schon tot gesehen haben. Wie sie einfach nur schreien, laut und glücklich. Wie Gefühle sie überrennen, niederreißen. Wie leicht ihre Augen sind, ihre Münder, alles. Wie alles gut wird. Wie sie brüllen. Wie sie nicht aufhören, sich zu umarmen. Wie sie Schnapsflaschen öffnen, jeder eine. Vogelbeere. Hannis Schätze aus der untersten Lade. Wie Max ihren Namen schreit. Wie sie ansetzen und trinken. Weil alles aus dem Lot ist, Wände schief stehen. Weil nichts mehr so ist, wie es war. Weil sie lebt. Tilda. Weil Hanni tot ist. Weil Wagner bewusstlos am Boden liegt. Verschnürt und still. Schluck für Schluck der Schnaps durch ihre Hälse.
    – Was machen wir jetzt?
    – Trinken, Max.
    – Und dann?
    – Dann ist später, Max. Jetzt trinken wir.
    – Müssen wir nicht in den Wald?
    – Nein.
    – Was dann?
    – Die kümmern sich jetzt um Tilda. Lass uns den Moment genießen, kurz nur.
    – Kann ich nicht. Da liegt immer noch dieses Schwein.
    – Vergiss ihn. Ihn und alles, was war.
    – Wie denn?
    – Ich erzähle dir eine lustige Geschichte.
    – Jetzt?
    – Warum nicht?
    – Mir ist nicht nach Lachen.
    – Lass es mich versuchen. Komm schon, Max.
    – Wenn du meinst.
    – Weißt du, was passiert ist?
    – Hanni ist tot.
    – Das ist nicht lustig, Max.
    – Sag ich ja.
    – Ich meine hier im Dorf, was passiert ist, während wir nicht da waren, einem der Dorfdeppen ist etwas zugestoßen.
    – Lass mich raten, jemand hat ihn mit Frischhaltefolie erstickt. Oder besser noch, sie haben ihn vergraben.
    – Fast.
    – Er hat sich selbst vergraben.
    – Fast, Max, fast.
    – Er hat es mit einem Plastiksack gemacht, er hat es selbst getan, so wie dieser Schauspieler, der im Kasten onaniert hat.
    – Der hat sich mit einem Gürtel gewürgt, da war kein Sack im Spiel.
    – Das war der Held meiner Kindheit, David Carradine, Kung Fu, Kwai Chang Caine, du erinnerst dich?
    – Um den geht es jetzt nicht, Max.
    – Er ist beim Wichsen verunglückt, Baroni, stell dir das mal vor. So ein Ende hat sich keiner verdient. Darauf
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