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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot
Autoren: Bernhard Aichner
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verzweifelt die Reifen zum Quietschen brachte, hatte er zu klopfen begonnen.
    Max im Bademantel.
    Er telefonierte, erzählte Paul, wo er Wagner abholen konnte. Dann legte er auf und spuckte ihn an. Wagner stöhnte unter dem Klebeband, Max ignorierte ihn und ließ den Kofferraumdeckel nach unten fallen.
    Dutzende Beamte kamen.
    Sie rissen das Klebeband von ihm ab, sie legten ihm Handschellen an. Er brüllte nach einem Anwalt. Dann verschwand er in einem Polizeiwagen und fuhr davon. Blaulicht, Journalisten, Kameras. Paul stand neben Max. Ohne Worte und ohne ihn nach weiteren Details zu fragen. Sie standen einfach nur da und schauten zu, wie Wagner weggebracht wurde. Tilda war in Sicherheit. Sie hatte überlebt.
    Sie sind auf dem Weg zu ihr.
    Max auf der Rückbank. Baroni hält ihm die Tür auf.
    Der Beamte hat direkt vor dem Eingang zur Notaufnahme geparkt, Max wird sie wiedersehen, gleich, sie wird in einem Bett liegen und ihn anlachen, er wird sie umarmen. Bevor die Ärztin seine Wunde näht, bevor sie ihn in ein Bett legen, ihm Beruhigungsmittel spritzen, bevor er schlafen wird, bevor es fünfzehn Stunden lang einfach nur dunkel sein wird, sieht er Tilda. Er sieht ihre Tränen. Wie schwach sie ist, wie blass. Er spürt ihre Arme um sich, wie kraftlos sie sind. Er sitzt an ihrem Bett und hält sie, er sagt nichts, hält sie nur. Er spürt ihre Angst, wie sie sich an ihn klammert, ihn festhalten will, ihn nicht mehr loslässt. Max streicht mit seinen Fingern über ihren Rücken.
    Lange, langsam. Ohne zu denken.
    Wie plötzlich alles farblos wird.
    Wie gleichgültig ihm plötzlich alles ist. Alles, was passiert ist, alles, was sie ihn fragen, was sie wissen wollen von ihm, was er ihnen erzählen kann. Nichts mehr ist wichtig. Nur seine Finger, wie sie über Tildas Rücken streichen.
    Danke, sagt sie.
    Immer wieder ihre Stimme. Immer wieder Danke, und wie sie ihn mit jedem Wort, das aus ihrem Mund kommt, an Hanni erinnert. Dass sie nicht mehr da ist.
    Max umarmt sie. Er will nicht reden, nichts sagen. Er erträgt es kaum, ihre Trauer, ihre Tränen, er hat seine eigenen.
    – Es tut mir so leid, Max.
    – Muss es nicht.
    – Ich habe alles kaputt gemacht.
    – Nicht du, Tilda, ich war das.
    Max drückt sie liebevoll zurück in ihr Bett, lässt ihre Hand los, küsst sie auf die Wange. Er verspricht ihr, sich verarzten zu lassen, sich auszuruhen, in ein paar Stunden wiederzukommen. Kurz bevor er den Raum verlässt, dreht er sich noch einmal zu ihr um. Er steht da und schaut sie an.
    Tilda, drei Sekunden lang.
    Ich bin froh, dass du lebst, sagt er.
    Dann kommt die Nadel in seine Schulter, in seinen Oberschenkel, eine junge Frau flickt ihn zusammen, reinigt seine Wunden. Sie legen ihn hin und machen seine Augen zu. Max Broll, Zimmer vier. Baroni, der nach ihm sieht, Baroni und la Ortega, die ihn anlachen, als seine Augen wieder aufgehen in dem kleinen Krankenzimmer.
    Max will nach Hause, er will nichts mehr hören, niemanden. Nichts mehr sehen. Auch Baroni nicht.
    Nichts geht mehr. Nur noch, wie Max die Stiegen nach unten schleicht und am Rücksitz eines Taxis zum Friedhofswärterhaus fährt. Wie er die Stufen nach oben in seine Wohnung steigt, wie er sich auszieht und hinlegt. Für immer.
    Egal was Baroni sagt, was la Ortega sagt, egal was Tilda sagt.
    Max bleibt liegen.

Siebenundzwanzig
     
    Überall das Leben.
    Immer wenn er die Augen aufmacht. Egal wo er hinschaut. Aus dem Fenster, die Menschen am Friedhof, am Kirchplatz. Wie alles unendlich weh tut. Was er sieht, was er nicht mehr sieht. Ihre Zahnbürste im Bad, ihr Bademantel, alles von ihr. Wie die Tage beginnen. Wie sie aufhören. Wie Baroni ihn zurückholen will und es nicht kann. Drei Tage hat er Max alleingelassen, jetzt sitzt er neben ihm.
    – Das halbe Dorf ist da. Komm jetzt, Max.
    – Nein.
    – Komm schon.
    – Lass mich, bitte.
    – Du ziehst dich jetzt an und kommst mit mir auf die Terrasse. Tilda ist auch da.
    – Du sollst mich endlich in Ruhe lassen, Baroni.
    – Du musst dich von ihr verabschieden, du kannst dich nicht länger hier vergraben.
    – Doch, ich kann.
    – Komm mit auf die Terrasse.
    – Nein.
    – Du stinkst, Max.
    – Du kannst ja gehen.
    – Ich kann mir das nicht länger ansehen.
    – Dann schau weg, niemand zwingt dich, hier zu sein.
    – Hör auf damit.
    – Dann lass mich doch einfach hier liegen.
    – Bitte, Max.
    – Wenn ich es nicht kann. Ich kann nicht, verstehst du, alles tut weh, alles, versteh das doch, jeder Schritt, jede
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