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Fünf Tanten und ein Halleluja

Fünf Tanten und ein Halleluja

Titel: Fünf Tanten und ein Halleluja
Autoren: Alex Steiner
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er. Aber wer wollte ihm das übel nehmen, schließlich arbeitete er beim Casting, und etwas Trendigeres gab es ja kaum.
    Toni ging in den Nebenraum, wo die anderen Schauspieler warteten, die eingeladen waren. Dafür, dass er die Rolle quasi sicher hatte, gab es erstaunlich viele Bewerber. Acht Leute saßen dort, und nur der Himmel wusste, wie viele heute Vormittag schon vorgesprochen hatten. Alle begrüßten ihn freundlich, einer machte einen Witz. Man tat so, als ob man sich gegenseitig Glück wünschte. Dabei wollte jeder natürlich die Rolle für sich haben.
    Er setzte sich neben einen Typen, der ein silbernes Rüschenhemd trug. Der Angstschweiß stand ihm im Gesicht, dunkle Flecken breiteten sich auf dem glänzenden Stoff aus. »Zieh dich an wie der Junge von nebenan«, hatte seine Agentin ihm geraten, »glaub mir, ich kenn die Leute. Sonst hast du gleich verloren.«
    Der Typ schenkte ihm ein gequältes Lächeln. »Ich bin der Nächste. Ich hab echt Schiss.«
    Toni betrachtete das Rüschenhemd und überlegte, was er sagen sollte. »Das wird schon klappen«, meinte er dann. »Ich wünsch dir Glück.«
    Von nebenan war Gelächter zu hören. Offenbar herrschte dort gute Stimmung. Die Wartenden blickten sich verunsichert an. Wer immer da drin gerade vorsprach, für ihn schien es gut zu laufen.
    Die Tür flog auf, und ein bekanntes Gesicht erschien: Richy Erdmann. Toni traf ihn bei fast jedem Casting, zu dem er eingeladen wurde. Richy war ein ähnlicher Typ wie er – jung und blond – und wurde ständig für dieselben Rollen gecastet. Beim letzten Mal war Richy sauer auf Toni gewesen, weil der diesen blöden Versicherungsspot gekriegt hatte. Aber davon war jetzt nichts mehr zu spüren. Dafür war sein Vorsprechen wohl zu gut gelaufen.
    Â»Hey, Toni. Du auch hier?«
    Â»Witzig, was? So trifft man sich. Wie war’s bei dir?«
    Â»Keine Ahnung. Weiß man ja nie.« Sein affektiertes Lächeln strafte ihn Lügen. »Aber die sind echt ganz nett, die Leute. Brauchst keine Angst zu haben.«
    Â»Gut zu wissen. Na dann.«
    Â»Genau. Viel Glück.«
    Der Typ im Rüschenhemd nahm seine Tasche vom Boden. Jetzt war er dran. Der eine Henkel rutschte ihm aus der Hand, und es klirrte leise. Toni konnte einen Blick ins Innere der Tasche erhaschen: ein paar Kaffeetassen mit Fotodruck lagen da, auf die der Typ sein grinsendes Gesicht hatte drucken lassen. Zweifelsfrei als Geschenk für die Leute vom Casting, frei nach dem Motto: Aufmerksamkeit erregen um jeden Preis.
    Toni überlegte, ob er ihm schnell den guten Rat geben sollte, die Tassen lieber in der Tasche zu lassen. Aber mit seinem Rüschenhemd hatte er eh keine Chance auf die Rolle, Kaffeetassen hin oder her.
    Â»Toni? Toni Müller ist da?« Die hohe und durchdringende Stimme von Frederik Hohenfeld drang von nebenan herein. »Er soll reinkommen! Die anderen interessieren uns nicht. Holt ihn rein.«
    Der Praktikant erschien und ließ seinen abfälligen Blick über die Wartenden wandern.
    Â»Toni Müller?«
    Â»Das bin ich.«
    Das Rüschenhemd blieb stehen und blickte Toni an, als hätte der ihn mit einem Kinnhaken aus dem Ring geschlagen. Langsam ließ er sich wieder aufs Sofa sinken. Die Kaffeetassen klirrten in der Tasche.
    Â»Tut mir leid«, sagte Toni. »Aber du kommst ja auch gleich dran. Jetzt halt nach mir.« Dann ging er nach nebenan.
    An einem Pult saßen zwei Leute von der Produktion, eine verbiesterte und offenbar alkoholkranke Frau, die aussah, als warte sie nur auf eine Gelegenheit, herumzuschreien und allen ins Gesicht zu springen. Und daneben ein blasiert wirkender Mittvierziger, der eine modische Jogginghose und ein T-Shirt mit einem Comicaufdruck trug, als wäre er gerade siebzehn geworden. Dann tauchte Frederik Hohenfeld auf. Er sah genauso aus wie in der Serie, nur ein bisschen kleiner.
    Er und Toni standen sich gegenüber. Schon nach dem Bruchteil einer Sekunde war klar: Sie konnten sich nicht ausstehen.
    Â» Du bist Toni Müller?«
    Toni lächelte. »Ja. Danke für die Einladung.«
    Â»In dem Werbeclip siehst du aber ganz anders aus.«
    Wie denn?, hätte er am liebsten gefragt. Dümmlicher?
    Â»Jünger. Irgendwie jünger.«
    Â»Ich bin vierundzwanzig. Das war doch bekannt, oder?«
    Doch Hohenfeld hörte gar nicht mehr zu. Mit gekräuselten Lippen wandte er sich ab
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