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Fünf Tanten und ein Halleluja

Fünf Tanten und ein Halleluja

Titel: Fünf Tanten und ein Halleluja
Autoren: Alex Steiner
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und machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen.
    Die verbiesterte Frau fixierte ihn mit zusammengekniffenen Augen. Toni machte sich bereits auf eine Beleidigung ihrerseits gefasst, aber dann sagte sie: »Mir gefällt Ihr Aussehen. Es passt zu der Rolle.«
    Sie wandte sich an Hohenfeld und fuhr ihn an: »Was ist? Können wir anfangen? Oder brauchen Monsieur noch ein bisschen?«
    Â»Nein, nein. Ist ja schon gut.«
    Hohenfeld verdrehte die Augen, stellte seine Kaffeetasse wieder weg und kam lustlos auf Toni zu. Betrachtete ihn von oben bis unten und seufzte.
    Â»Also gut. Ich bin so weit. Meinetwegen kann’s losgehen.«
    Toni konzentrierte sich. Du kannst den Text, du hast jedes Wort auswendig gelernt. Keine Angst. Entspann dich. Er blendete alles aus, die schäbige Wohnung, die Leute von der Produktion. Sogar Hohenfeld verschwand. Er war jetzt sein Vater, der ihm zum ersten Mal seit langer Zeit gegenüberstand.
    Â»Bist du das, Vater? Bist du tatsächlich nach all den Jahren wiedergekommen? Noch eine Enttäuschung würde ich nicht ertragen.«
    Â»Ich bin es. Ich bin gekommen …«
    Hohenfeld brach ab. Er stieß einen theatralischen Seufzer aus. Dann wandte er sich an die verbiesterte Frau.
    Â»Ich kann mit dem nicht spielen.«
    Â»Stell dich nicht so an, Frederik.« Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch. »Wir gehen die Szene durch, und dann sehen wir weiter.«
    Â»Aber so funktioniert das nicht. Ich spiel das toll, das hast du ja gesehen. Aber der hat mich aus dem Konzept gebracht. Wenn der mir den letzten Satz sagt, muss der mich angucken. Sonst kann ich nicht sagen, was ich danach sagen muss.«
    Das Gesicht der Verbiesterten sah jetzt aus wie ein zusammengeknülltes Blatt Papier. Sie pfiff aus der Nase. Toni trat einen Schritt zurück. Doch wenn er glaubte, sie würde jetzt explodieren, irrte er sich.
    Â»Sie haben gehört, was Sie tun müssen«, sagte sie lediglich zu Toni. »Also noch mal von vorne.«
    Hohenfeld zögerte, doch dann fügte er sich. Toni dachte an seine Agentin. Er konnte sich schon vorstellen, welchen Rat sie ihm geben würde. Also lächelte er Hohenfeld an, so freundlich, wie er nur konnte.
    Â»Tut mir leid, war meine Schuld.«
    Â»Schon gut, Junge. Das kann jedem mal passieren.«
    Â»Ich werd Sie jetzt ansehen. Vielleicht hatte ich mich einfach noch nicht richtig in die Rolle reingefunden.«
    Â»Ja, vielleicht. Versuchen wir’s noch mal.«
    Toni hatte es geschafft. Hohenfeld gab ihm noch eine Chance.
    Er konzentrierte sich. Blendete alles aus. Er befand sich wieder in seiner Wohnung, und sein verschollener Vater stand plötzlich vor der Tür. Es ging los.
    Â»Bist du das, Vater? Bist du tatsächlich nach all den Jahren wiedergekommen?« Toni stockte. Ȁhm …«
    Der Text war weg. Blackout. Er hatte keine Ahnung mehr, wie’s weiterging. Als hätte einer die Festplatte gelöscht.
    Sofort lief er knallrot an, er konnte nichts dagegen unternehmen.
    Â»Konzentrieren Sie sich«, kam es von der Verbiesterten. »Kommen Sie schon. Noch mal.«
    Aber es war zu spät. In seinem Kopf hörte er nichts als das Rauschen des Meeres.
    Â»Bist du das, Vater? Hast du … nein … bist du … auch nicht … ähm … Scheiße.«
    Â»Ich hab’s ja gleich gesagt«, rief Hohenfeld. »Mit dem geht das nicht.«
    Die Verbiesterte fixierte Toni, in ihrem Blick war nur noch Ernüchterung. Ihm wurde klar, sie hatte ihn für die Rolle gewollt. Unbedingt.
    Â»Also gut. Machen wir mit dem Nächsten weiter.«
    Mit einem Leiern in der Stimme fuhr sie fort: »Danke, dass Sie gekommen sind. Rufen Sie bitte nicht an. Wir melden uns bei Ihnen. Auf Wiedersehen.«
    Toni ging langsam hinaus, vorbei an den Wartenden, die an seinem Gesicht abzulesen versuchten, wie es bei ihm gelaufen war, und vorbei an dem Praktikanten, der überprüfte, ob seine Schnürsenkel ausreichend lässig gebunden wirkten.
    Draußen auf der Straße atmete er die warme Sommerluft ein. Am liebsten hätte er sich verkrochen. Irgendwo in ein dunkles Loch. Sich zum Sterben zurückgezogen.
    Aber leider war das nicht möglich. Er sah auf die Uhr. Ihm blieb noch eine halbe Stunde, bis seine Tanten in Berlin ankamen. Die fünf älteren Schwestern seines Vaters, die sich unverhofft zum Besuch angemeldet hatten. Sie würden am Bahnhof Zoo ankommen und erwarteten,
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