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Fünf Tanten und ein Halleluja

Fünf Tanten und ein Halleluja

Titel: Fünf Tanten und ein Halleluja
Autoren: Alex Steiner
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zu wecken. Da merkte er erst, wie verspannt er war. Der Sessel war wohl alles andere als ein bequemes Nachtlager für zwei Personen. Micha seufzte im Halbschlaf, rutschte im Sessel herum und tauchte wieder in seinen Träumen ab. Süß sah er aus, wie er da vor sich hin schlummerte. Irgendwie ganz unschuldig.
    Am Küchentisch saß Tante Kamilla kerzengerade da und löste ein Kreuzworträtsel. Sie schenkte Toni ein warmes Lächeln und bewegte die Lippen zu einem stummen Guten Morgen. Dann flüsterte sie: »Ich hab dich doch nicht ge-weckt?«
    Sie hatte wahrscheinlich kein Auge zugetan, wo es doch kein Zimmer gab, in dem sie allein war. Und der Schein einer Laterne fiel auch nirgendwo herein, stattdessen das grelle Sonnenlicht.
    Â»Nein«, flüsterte er. »Wie spät ist es denn?«
    Â»Schon nach elf. Ich frage mich, wie lange die alle noch im Bett liegen bleiben wollen.«
    Um kurz nach sieben waren sie aus dem Krankenhaus gekommen. Toni hatte nicht das Gefühl, zu lange geschlafen zu haben. Er schlich durch den Flur zum Klo.
    Die Türen standen offen, er konnte in jedes Zimmer blicken. Überall schlafende Menschen. Auf dem Sofa, in den Betten, auf dem Teppich. Es war wie nach einer wilden Party, bei der alle zu betrunken waren, um noch nach Hause zu fahren.
    Toni schloss die Klotür hinter sich. Plötzlich wurde ihm klar, wie gut sich das anfühlte, all diese Menschen in seiner Wohnung zu haben. Es war zwar irgendwie seltsam, aber es konnte ruhig noch eine Weile so bleiben.
    Nach und nach wachten alle auf, und es wurde lebendig. Tante Immi kaufte Brötchen, Tante Ebba kochte eine große Kanne Kaffee, und Rainer machte Rührei. Durch einen Anruf im Krankenhaus erfuhren sie, dass es Claire mit jeder Stunde besser ging. Sie brauchte jedoch Ruhe, um sich zu erholen, und deshalb wurde von Besuchen abgeraten.
    Gerade hatten sich alle an den Frühstückstisch gesetzt, da klingelte es an der Tür, und im nächsten Moment standen Kayla und Tante Helga in der Küche.
    Â»Da seid ihr ja alle«, begrüßte Helga die Runde. Sie entdeckte die Männer, die nicht hierhergehörten, und bemerkte das Fehlen von Tante Claire. »Ist etwas passiert?« Und dann: »Rainer? Bist du das?«
    Toni bemerkte, dass es zwischen Kayla und Helga gehörig knisterte. Was genau zwischen den beiden vorgefallen war, wollte Toni lieber gar nicht so genau wissen. Auch die anderen Anwesenden schienen das zu spüren, nur Wolfgang stand offenbar völlig auf dem Schlauch.
    Â»Helga, was für ein Glück, dass dir nichts passiert ist. Komm her, setz dich zu mir. Das war ja was mit deinem Handy. Ich hätte es mir gleich denken können.«
    Tante Helga zögerte. Sie warf Kayla einen Blick zu, dann löste sie sich widerwillig und setzte sich neben Wolfgang auf die Bank.
    Â»Sie sind Tonis Nachbarin, nehme ich an?«, sagte der. »Da muss ich mich wohl bei Ihnen bedanken. Vielen Dank, dass Sie auf meine Frau aufgepasst haben. Mir haben alle hier versichert, dass Helga nichts passieren wird, wenn Sie bei ihr sind.«
    Â»Kein Problem«, sagte Kayla grinsend. »War mir ein Vergnügen.«
    Â»Aber jetzt sagt doch endlich, was passiert ist«, mischte sich Tante Helga ein. »Was machst du hier, Curt? Und wo ist Claire? Und … Herr im Himmel, Rainer! Wo kommst du denn her?«
    Sie begannen zu erzählen. Erzählten alles, was in der vergangenen Nacht passiert war. Ein weiterer Stuhl wurde für Kayla an den Tisch gestellt, eine Kaffeetasse wanderte über die Köpfe hinweg, und das Frühstück ging schließlich weiter, als wäre nichts gewesen. Nur Toni schien die glücklichen Blicke zu bemerken, die Tante Helga heimlich Kayla zuwarf. Er konnte nur hoffen, dass Wolfgang weiterhin ahnungslos blieb.
    Nach einer Weile war es wie bei einem typischen Familientreffen. Sie saßen gut gelaunt beisammen und erzählten sich die Anekdoten, die zu solchen Anlässen immer erzählt werden. Wie Tante Ebba sich mal ein Auto zu Schrott hatte fahren lassen, nur um einem Nachbarn zu zeigen, dass er ihr nicht ständig die Vorfahrt nehmen konnte. Von Tante Kamilla, die mal beim Weihnachtsbacken der Katholischen Frauengemeinschaft mit der ganzen Macht der Verzweiflung durchgesetzt hatte, dass alle ihre Nüsse zählten, die sie in den Kuchen gaben, nur damit Kamilla nachher keinen Kuchen essen musste, dessen Nussanzahl eine Quersumme
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