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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin
Autoren: Sonia Rossi
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Kunden davon zu überzeugen, mich von hinten zu poppen, damit ich ihre Gesichter währenddessen nicht sehen musste, und dachte immerzu daran, dass all dies notwendig war, um mir »eine Zukunft aufzubauen«, wie meine Familie immer zu sagen pflegte.
    Ich machte also weiter wie bisher. Ich hatte mich einfach zu sehr daran gewöhnt, am Montag und am Freitag im Bordell zu sitzen und die restlichen Tage meine Kurse und Vorlesungen zu besuchen.
    Am besten verstand Klara meine Probleme. Klara war gerade mal zwanzig und ging erst seit ein paar Monaten anschaffen, um ihr Studium an der Kunstakademie zu finanzieren. Sie hasste sich manchmal dafür und ärgerte sich, dass sie seitdem keinen Freund mehr haben konnte, weil sie sich inzwischen vor Männern ekelte.
    Diese Phase kannte ich tendenziell auch, obwohl ich immer einen Partner gehabt hatte. Erst freute man sich über die Geldscheine im Portemonnaie, dann kam das schlechte Gewissen und schließlich die Zeit, in der einem alles egal war. An diesem Punkt war ich nun angekommen.
    Mir machte es nichts mehr aus, über meine Arbeit zu reden, zumindest mit Vertrauenspersonen. Ich schämte mich auch nicht mehr dafür. Es war nun mal für mich die einzige Möglichkeit, zu studieren, ohne ein Sozialfall zu werden. Eines Abends in der Disko hatte ich sogar mal einem Mitstudenten von meinem Job erzählt, weil ich ihn für etwas aufgeschlossener hielt als die meisten anderen. Immerhin hatten wir das ganze Semester gemeinsam an einem Projekt gearbeitet und waren öfters mal zusammen weggegangen. »Ich beneide dich fast«, war sein Kommentar gewesen. »Ich muss am Samstagabend in der Kneipe hinter der Theke stehen, um ein bisschen Geld im Portemonnaie zu haben.«
    »So einfach ist das alles nicht«, hatte ich geantwortet, ahnend, dass er meine Antwort nicht verstehen würde.
    Für meine neue Freundin Klara war es noch schwieriger, da sie noch nicht so lange im Milieu war. »Irgendwann wird der Sex eine gewöhnliche Aktion, wie wenn man jeden Morgen auf Toilette geht«, sagte sie eines Tages, während wir im Raucherraum des Bordells saßen.
    »Stört dich das?«, fragte ich. Ich hatte seit dem Morgen schon fünf Männer hinter mir.
    »Was soll ich sagen – also, an das Wunder der Liebe glaube ich nicht mehr, seit ich dreizehn bin und sich der Typ, mit dem ich gefummelt habe, nicht mehr gemeldet hat. Mann, das ist schon ewig her«, seufzte sie und zündete sich die nächste Zigarette an.
    »Du bist erst zwanzig und redest wie eine Vierzigjährige«, lachte ich und dachte daran, wie schnell man in diesem Milieu erwachsen wird.
    »Fynn ist krank, du musst nach Hause kommen«, erzählte mir mein Kumpel Rudy eines Tages am Telefon, als ich mich gerade in der Uni für ein neues Statistik-Projekt anmeldete.
    »Wo ist Ladja?«, fragte ich besorgt.
    »Er schläft seinen Rausch aus«, sagte er trocken. »Ich habe versucht, ihn zu wecken, doch er meinte, ich solle nicht so ein Theater machen, dem Kind sei wahrscheinlich nur warm.«
    Zu Hause konnte ich mich gerade noch zusammenreißen, um nicht nach einer Pfanne zu greifen und sie Ladja an den Kopf zu schmeißen. Das Baby hatte hohes Fieber. Ich gab Fynn ein Zäpfchen und blieb bei ihm, bis er einschlief.
    »Du musst gehen, ich will dich hier nicht mehr sehen«, teilte ich Ladja gefasst mit, als er gegen Mittag aus dem Bett aufstand und Richtung Bad latschte. Er schaute mich verblüfft an, als ob er den Ernst meiner Worte nicht begriffenhatte. Ich aber nahm seine Reisetasche und fing an, seine Klamotten reinzustopfen. Er versuchte noch, mit mir zu diskutieren, und wurde laut. Doch meine Entscheidung war gefallen.
    »Du wirst mich noch anbetteln, zurückzukehren«, sagte er sarkastisch, bevor ich Tür hinter ihm zudrückte. »Allein mit dem Baby wirst du dein Studium nie packen.«
    Als er weg war, kehrte eine angespannte Ruhe ein, eine trügerische Stille, die kurz einsetzt, wenn ein Blitz sich entladen hat, der Donner aber noch bevorsteht.
    »Wirf ihn raus und hol ihn nicht zurück!« – so oder so ähnlich hatten die Aufforderungen meiner Kolleginnen im Puff gelautet, die schon längst ihre Meinung über Ladja hatten. An diesem Abend saß ich auf der Couch, trank eine Flasche Rotwein und schaute einen schnulzigen italienischen Liebesfilm an und dachte dabei nur an Milan.
    Ich blieb nun zu Hause mit Fynn, sein Papa war erst mal weg, dem Puff musste ich bis auf weiteres absagen und für die Vorlesungen hatte ich auch keine Zeit. Nachts lernte ich
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