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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin
Autoren: Sonia Rossi
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vernünftig und behandelt euch gut. Alles andere ist Nebensache«, behauptete sie, was für eine Welle der Empörung sorgte. Unbeirrt sprach sie weiter: »Als ich jung war, machte mir ein Freier einen Heiratsantrag – ein stinkreicher, fünfzigjähriger Österreicher. Er liebte mich abgöttisch. Ich fand ihn natürlich widerlich, mit seiner Plauze und den tiefen Falten im Gesicht, ich hatte ja meinen Süßen, der wie Patrick Swayze aussah, und lachte den alten Sack nur aus. Na ja, ein Jahr später war es mit meinem hübschen Mann vorbei. Ich hatte keine Kohle und wollte nun in meiner Verzweiflung den alten Opa doch noch rumkriegen. Also schrieb ich ihm einen netten Brief und hoffte,dass er sich melden würde.« Sie strich mit der Hand ihre langen roten Haare glatt und seufzte.
    »Und?«, fragte Klara gespannt.
    »Es kam eine Antwort von seiner frischgebackenen Ehegattin, ich solle mir keine Mühe geben, der Herr sei schon vergeben. Ich habe mal ein Foto von den beiden in einer Lokalzeitung gesehen. Sie war mindestens zehn Jahre älter als ich, klein und dick«, sagte sie und streckte wie zur Bekräftigung dieser Absurdität ihre Beine, die mit Mitte vierzig immer noch glatt und schlank waren.
    »Und jetzt sitzt sie auf seiner Yacht am Mittelmeer und du bist hier alleine im Puff«, kommentierte jemand.
    »So ist es«, sagte sie melancholisch. »Also merkt euch meinen Rat: Findet einen soliden Kerl, solange ihr jung seid, einen, der euch Sicherheiten bieten kann. Verlasst euch nicht nur auf eure Augen und hört nicht nur auf euer dummes Herz. Die attraktiven Männer werden auch irgendwann alt oder verlassen dich, solange sie bei jüngeren Frauen noch was reißen können, und dann bist du allein.«
    Miriams Geschichte hatte mir zu denken gegeben. Das Letzte, was ich gemacht hätte, wäre, mit jemandem nur wegen seines Geldes zusammen zu sein. Allein den Gedanken, jede Nacht neben jemandem einzuschlafen, von dem ich mich weder innerlich noch äußerlich angezogen fühlte, fand ich unsäglich. Andererseits: War ich bekloppt, nach fünf Jahren als Nutte noch an die wahre Liebe zu glauben? Vor meinen Augen hatte ich das Bild von Milan, wie er im Sommer vor dem »California« saß, die Hände lässig in die Hosentasche gesteckt, die Sonnenstrahlen auf den kräftigen Armen. Kompromisse machen das Leben vielleicht einfacher, dachte ich, doch was ist ein Dasein ohne Sehnsucht schon wert?
    Am dritten Adventssonntag dieses Jahres machte ich endgültig Schluss mit Ladja. Seit ich mein Praktikum angefangen hatte, hatte sich die Situation zwischen uns noch weiter angespannt. Die Resignation, mit der er jeden Tag dem Leben begegnete, war mir jetzt so fremd wie noch nie. Wann bist du das letzte Mal mit ihm glücklich gewesen, fragte ich mich eines Tages. Das höchste der Gefühle in unserer Beziehung, vom Sex abgesehen, war ein ruhiger Abend, an dem er vor der Glotze »Star Trek« anschaute und ich ein Buch las oder für die Uni lernte. Und selbst so was war selten geworden. Es hatte lange gedauert, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt wurde mir mit einer unheimlichen Klarheit bewusst, dass ich mir nicht mehr vorstellen konnte, je wieder einen wirklich verliebten Tag mit Ladja erleben zu können. Wenn ich versuchte, an die ersten Zeiten mit ihm zu denken, war es, wie wenn ich an meinen ersten Schultag dachte, so fern schien mir das Ganze inzwischen.
    »Ich will mich von dir trennen. Es hat keinen Sinn mehr«, sagte ich daher eines Abends im Dezember ganz ruhig zu Ladja, nachdem ich Fynn ins Bett gebracht hatte. Er bedachte mich mit einem spöttischen Blick und wandte sich dann wieder dem Fernseher zu, in dem gerade eine Zeichentrickserie lief. Ich stellte mich vor ihn, riss ihm die Fernbedienung aus der Hand und schaltete das Gerät aus.
    Er schien gelangweilt. »Wann kommt dein Anruf? Nach zwei Tagen? Nach drei?«, fragte er höhnisch.
    »Es geht nicht mehr«, antwortete ich nur müde.
    »Du wirst auf die Schnauze fallen.« Er lachte. In seinen Augen sah ich Verachtung und verletzten Stolz.
    »Den Gefallen tue ich dir nicht«, sagte ich, als er diesmal ohne größeren Disput das Wohnzimmer verließ, um seine wenigen Sachen zu packen.
    Im Schlafzimmer auf meinem Bücherregal standen immernoch die kitschigen, sich umarmenden Plastikmäuse, die er mir am Anfang unserer Beziehung geschenkt hatte. Ich seufzte. Von der Liebe war nur noch Mitleid und Bitternis übrig. Vor sechs Jahren war er mit einem Rucksack zu mir gekommen und so ging er
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